DEAD SHOT
angerichtet hatte. Nach schweren Einsätzen zog Swanson sich immer für kurze Zeit zurück, um allein zu sein und sich von all den Eindrücken zu erholen. Doch Middleton hatte das Verhalten des Scharfschützen missdeutet und als Beweis für dessen Inkompetenz interpretiert. Daraufhin hatte der General nicht nur versucht, Swanson aus der Truppe zu werfen, sondern hatte auch den Begriff »shaky« in den offiziellen Bericht geschrieben. Der Versuch schlug zwar fehl, aber der Spitzname »Shake« blieb in den Köpfen der anderen, obwohl seine Freunde wussten, dass man sich in einem Kampf hundertprozentig auf einen Mann wie Kyle Swanson verlassen konnte. Erst im Verlauf der Rettungsaktion in Syrien hatten Middleton und Swanson gelernt, sich gegenseitig zu respektieren und waren so etwas wie Freunde geworden.
»Nein. Er macht sich lediglich Sorgen. Wir alle übrigens. Ohne dich gibt es schließlich keine Task Force Trident.«
Kyle aß seinen Toast auf und schob dann den Teller ein wenig von sich. »Nun, Captain Summers, sag den Leuten daheim, dass ich noch ein wenig sprunghaft bin. Ich glaube immer noch an unseren Auftrag. Ich hasse immer noch Terroristen und bin immer noch bereit, diejenigen zu töten, die unser Präsident beschließt, aus dem Weg zu räumen.«
Als Captain Summers nach einigen Stunden mit einem Militärjet zurück nach Washington flog, stieg Kyle an Bord eines Sikorsky S-76 Helikopters. Die Maschine war strahlend weiß lackiert, und nur zwei schmale dunkelblaue Streifen sowie ein goldenes Firmenlogo an beiden Seiten verrieten, dass der Sikorsky zu Excalibur Enterprises Limited gehörte, einer Holdinggesellschaft für die vielen Geschäftsbereiche des britischen Tycoons Sir Geoffrey Cornwell. Der schlanke Flieger war eine Mischung aus Passagiertransporter und Arbeitspferd, und in der großzügigen und schalldichten Kabine saß Kyle ganz allein. Niemand hätte den Hubschrauber mit dem Militär in Verbindung gebracht, und auch im Fahrtenbuch stand nur ein Routineflug für einen Firmenangehörigen, aber in der Welt der heimlichen Operationen war Sir Jeff bekannt dafür, gelegentlich bei Aufträgen auszuhelfen. Kyle schnallte sich gerade in einem der komfortablen Ledersitze an, als die starken Turbomeca Arriel 2S2 Motoren aufdrehten. Augenblicke später hatte der Sikorsky abgehoben und nahm Kurs auf das Mittelmeer. Schon bald schlief Kyle bei den monotonen Motorengeräuschen ein.
»Wir landen gleich, Sir.« Die Stimme des Piloten über Funk weckte ihn. Kyle glaubte, nur Minuten geschlafen zu haben, aber als er einen Blick auf seine Uhr warf, sah er, dass der Flug schon über eine Stunde dauerte. Die Rotorblätter trotzten dem Wind, und von dem kleinen Kabinenfenster aus konnte Kyle die rechteckige Landefläche auf einer luxuriösen Jacht sehen, die die gleiche Farbe wie der Hubschrauber besaß. Die weiß leuchtende Vagabond schien aus den Wellen zu steigen, als der herannahende Flieger problemlos auf der vorgesehenen Fläche aufsetzte.
»Home, sweet home«, sagte Kyle Swanson, als ein Crewmitglied von außen die Tür aufmachte. »Und danke fürs Mitnehmen, Jungs.«
Während der Hubschrauberpilot die Motoren abstellte, betrat Kyle das Deck und zog bei dem enormen Luftzug der Rotorblätter den Kopf ein. Aus dem Kabinenbereich kam ihm eine Frau entgegen. Es war Lady Patricia Cornwell, in einer blauen Seidenbluse und dunklen Schuhen. Sie trug eine silberne Halskette und dazu passende Ohrringe. »Willkommen an Bord, Fremder«, grüßte sie, zog ihn fest an sich und reichte ihm ein kühles Bier. Dabei beobachtete sie Kyle ganz genau: die trägen Bewegungen, die von der Sonne gerötete Haut, das leichte Humpeln. Er war fast zwei Wochen fort gewesen. Keine Fragen. »Jeff ist auf dem Rückflug von einem NATO-Treffen und müsste vor dem Unwetter zurück an Bord sein.«
»Schön, wieder hier zu sein, Pat. Ich bin müde.« Wolken türmten sich am Horizont auf. Crewmitglieder in tadellosen Uniformen eilten übers Deck, rollten Tauenden auf und setzten zusätzliche Segel, um die Jacht für das bevorstehende Unwetter klarzumachen.
Vorsichtig berührte Pat ein kleines Pflaster an Kyles Kinn. »Hast du dich nicht rechtzeitig geduckt?«
»Ich hab mich beim Rasieren geschnitten«, antwortete Swanson mit einem Lachen.
»Das passiert dir in letzter Zeit wohl häufiger«, bemerkte sie und klopfte ihm leicht auf die Schulter. »Aber leg dich doch ein bisschen hin, bevor du hier noch an Deck im Stehen einschläfst, Kyle. Wir
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