Dead Souls: Horror (German Edition)
bewegen.
Nein! , drang Benjamins Stimme erneut in Johnnys Kopf ein. Mit derselben Hand, in der er den Stab hielt, stieß Benjamin Daniel zur Seite und brüllte wie ein Monster.
Und wieder hielt er das glühend heiße Stabende über Baby Bryan.
Indem er Daniels Mund bewegte und Daniels Stimme benutzte, schrie Johnny: »Nein Dad, t-tu dem Baby nicht weh …« Dad , dachte er mit verrückter, schwer zu ertragender Logik. Mein Vater. Wenn er nur wüsste, wer da zu ihm gesprochen hat.
Faith Conroy ließ das Baby los, ebenso Elizabeth. Johnny schaute sie durch den Rauch an. Ihre blassen Gesichter, mit Tränen übergossen, waren von Sorge gezeichnet. Sie starrten Benjamin verdutzt an; seinen veränderten Körper, der jetzt unter dem Einfluss des dunklen Schattens schwankte, sahen sie nicht. Der Pastor schien kurz den Griff an dem Stab zu lockern, und Johnny konnte sehen, wie das glühende Anch-Kreuz erblasste. Die Wände der Scheune schienen ihn zu umzingeln, gegen seine Lungen zu drücken, sie kamen näher und näher. Er hustete erneut, dann schaute er an dem Baby vorbei zu dem Spiegel. Hier sah er, wie Benjamins Spiegelbild ihn anstarrte, Daniel anstarrte. Es tut mir leid, mein Sohn, doch ich habe keine Wahl , hörte Johnny in seinem Kopf, als wüsste Benjamin irgendwie, dass er es war, Bryan Conroy, der die Ereignisse im Inneren von Daniels Körper miterlebte. Er hat keine Wahl , vermutete Johnny, nicht weil er das Ritual zu Ende bringen will, sondern weil das Böse, das ihn beeinflusst, ihm nicht gestattet aufzuhören.
Und dann beobachtete er entsetzt, wie das dunkle Wesen, das die Kontrolle über Benjamin hatte, ihn dazu zwang, den glühend heißen Stab auf Baby Bryans entblößtes Brustbein zu drücken.
»NEEEIIINN!«, schrie Johnny. Er wachte schnell auf, keuchte und schnaufte. Seine Narbe brannte wie verrückt, qualvoll, und er konnte in der Luft den fleischigen Gestank von brennender Haut riechen. Wie ein Wasserbecken umhüllte ihn die Dunkelheit. Mit brutalen Schmerzen stützte er sich auf die Ellbogen und starrte in die Finsternis …
Er wollte gerade schreien, als eine große Amsel auf seiner nackten Brust landete, Krallen an den Füßen durchbohrten seine brennende Narbe. Er schrie und fiel nach hinten, sich vor Schmerzen krümmend, als der Vogel auf ihn einhackte, und warme Blutstropfen seine Brust schmückten. Der Vogel, dessen Schnabel mit Johnnys Blut beschmiert war, starrte Johnny mit schwarzen Knopfaugen an, die vor Gerissenheit und Intelligenz übersprudelten. Die Amsel schlug einmal mit den Flügeln und flog davon, eine einzige Feder auf seiner Narbe zurücklassend. Wie ein Geschenk.
Johnny presste seine rechte Handfläche auf den kühlen harten Boden. Als er sich hochstemmte, entwich seinen Lippen ein Stöhnen. Er griff nach der Feder.
Blitzschnell hatten sie sich auf ihn gestürzt, fummelnde Hände, verwesend, schleimig und dreckig, sie zogen und drückten an seinen Armen, Beinen und an seinem Hals herum. Er wehrte sich vehement, so gut es sein erschöpfter Körper zulassen würde. Doch sie waren zu gewaltig und zu stark, gänzlich dazu entschlossen, das Ritual, das ihr Patriarch vor 17 Jahren angefangen hatte, zu Ende zu bringen. Mit einem einzigen strammen Stoß zogen sie ihn hoch und hielten ihn fest, als er vor Wahnsinn, Schmerzen und Müdigkeit zusammensackte.
Die Scheunentüren öffneten sich knarzend. »Sssooohnnn« , drang eine Stimme her. Kaltes blaues Mondlicht und Frühnebel sammelten sich und entfachten die frostige Szenerie, und Johnny stellte mit schwindeligem Entsetzen fest, dass die Stimme zu seiner Mutter, Mary Petrie, gehörte. Sie betrat die Scheune, eine gekrümmte, sich abzeichnende Silhouette im Gegensatz zu der sich ausbreitenden Hintergrundbeleuchtung des Mondes.
Sie taumelte auf ihn zu, sie brachte es fertig, nicht hinzufallen. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Kugelhammer, dessen schweres Gewicht hin und her baumelte und den Nebel neben ihr wie das Pendel einer Uhr spaltete.
Johnny widersetzte sich und schlug auf die toten und verwesenden Hände ein, die ihn packten: Ed Petrie an einem Arm, Mrs. D. am anderen, Andrew Judson von hinten mit einem kalten, stinkenden, aufgeblähten Arm, den er eng um seinen Hals gelegt hatte. Vor seinem geistigen Auge stellte sich Johnny vor, wie sich der ehemalig ausgeweidete Mittelteil des Anwalts gegen seinen nackten Rücken presste, sich darauf vorbereitete, ihn wie ein riesiger zahnloser Mund zu verschlucken. Er schaute auf
Weitere Kostenlose Bücher