Deadline - Toedliche Wahrheit
ihrem Innern, dass sie eigentlich bloß einen Stock für mich finden muss und ein Loch, in dem ich herumstochern kann, damit es mir wieder gut geht.
Es ist wirklich ein Jammer, dass das für mich wohl nie so funktionieren wird. Weil es nämlich wirklich verdammt nett wäre.
»Ich glaube nicht, dass du ein Neuling im Feld bist, Becks, ich glaube bloß, dass es Leute gibt, die liebend gern einen Vorwand hätten, weitere Anschuldigungen gegen uns zu erheben. Ich meine, wie viel haben wir bezahlt, um diese Vorwürfe gegen Mahir aus seiner Akte zu kriegen, dass er ›zu nah bei einer Ziege‹ gestanden hätte? Und der ist in England. Dort drüben mögen die Leute Ziegen immer noch.«
»Na schön, du hast ja recht«, gab sie zu. »Trotzdem, Alaric hat sich da draußen wirklich gut geschlagen heute. Ich glaube, er ist beinahe bereit für seine Prüfung.«
»Tja, gut.«
»Er braucht nur noch einen erfahrenen Irwin, der für ihn unterschreibt.«
»Dann unterschreib.«
»Shaun … «
»Bist du nur hier raufgekommen, um mich zu nerven? Das scheint mir nämlich kein hinreichender Grund zu sein.«
Du versuchst abzulenken.
Ich biss die Zähne zusammen und antwortete nicht. Niemand außer mir konnte George hören; aber jeder hörte mich, wenn ich mit ihr redete. Nicht gerade besonders fair, aber immerhin bin ich derjenige, der immer noch atmet, weshalb ich mich wohl nicht zu sehr beklagen sollte. George hätte an meiner Stelle auch nicht gemeckert. Sie hätte die Leute einfach finster angestarrt, viel Cola getrunken und ätzende Artikel darüber geschrieben, wie unsere selbstgerechte Gesellschaft sie für verrückt erklärte, weil sie eine gesunde Beziehung zu einem Toten aufrechterhielt.
Becks bedachte mich mit einem Blick von der Seite. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Mir geht’s gut«, sagte ich, die Zähne nach wie vor zusammengebissen, während ich George innerlich zwang, die Klappe zu halten, bis ich Becks los war. »Ich bin nur ein bisschen verspannt. Und du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum bist du hergekommen?«
»Ach das! Du hast Gesellschaft.« Becks steckte die Hände in die Jeanstaschen. Sie hatte sich umgezogen, natürlich: Die Kleider, die sie im Feld angehabt hatte, mussten sorgfältig sterilisiert werden, bevor man sie wieder ohne Bedenken tragen konnte. Doch das erklärte nicht, warum sie neue Jeans und eine geblümte Hemdbluse angezogen hatte, die bei einem Ausbruch keinerlei Schutz bieten würde. Andererseits habe ich Mädchen noch nie verstanden. Das war auch nicht nötig. George war ja immer da und spielte bei Bedarf die Dolmetscherin.
Ich hob eine Braue. »Gesellschaft? Definiere ›Gesellschaft‹. Handelt es sich um die Sorte Gesellschaft, die ein Interview will? Oder um diejenige, gegen die ich einen richterlichen Beschluss vorliegen habe?« Die meisten Leute sind der Meinung, dass ich nicht besonders gut mit Georgias Tod umgehe, da ich ihre Stimme in meinem Kopf höre, obwohl es sie nicht mehr gibt. Tja, meine Art, mit Georges Tod umzugehen, ist immer noch besser als die der Masons, denen er schlicht am Arsch vorbeigeht. Das vergangene Jahr haben sie damit verbracht, mich entweder anzuflehen, dass ich zur Vernunft kommen soll, oder mir mit Klagen zu drohen, weil ich ihnen ihr geistiges Eigentum gestohlen hätte. Ich wusste schon immer, dass sie Aasgeier sind, aber es musste erst jemand sterben, damit ich begriff, wie zutreffend der Vergleich wirklich ist. Sie haben schon über Georgias Leiche gekreist, noch bevor der Mann, der für den Mord an ihr bezahlt hat, ganz kalt war, und nach Möglichkeiten gesucht, Profit aus der Situation zu schlagen.
Das meine ich wörtlich. Ich habe die Datumsangaben der ersten E-Mails überprüft, die sie mir geschickt haben. Sie haben sich nicht mal die Zeit genommen, so zu tun, als trauerten sie, bevor sie versuchten, sich ihren Teil vom Kuchen zu sichern. Also habe ich eine richterliche Verfügung gegen sie erwirkt. Bislang haben sie das erstaunlich gut weggesteckt. Vielleicht liegt das daran, dass es Wunder für ihre Quoten wirkt.
»Weder noch«, sagte Becks. »Sie sagt, sie würde dich von der Seuchenschutzbehörde kennen und dass sie schon seit Wochen versucht, dich zu erreichen – es geht um irgendein Forschungsprogramm, mit dem George damals zu tun hatte, als ihr … Shaun? Wo willst du hin?«
Ich hatte bereits den halben Weg übers Dach zurückgelegt, als das Wort »Forschungsprogramm« über ihre Lippen kam, und bei ihrer letzten Frage
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