Deadline - Toedliche Wahrheit
war ich schon weg und polterte die Treppe runter.
Durch meine Arbeit und natürlich durch Georges virologischen Märtyrertod und meine fortlaufenden, etwas amateurhaften Versuche, die Hintermänner der Verschwörung zu finden, die sie auf dem Gewissen hatten, habe ich viele Mitarbeiter der Seuchenschutzbehörde kennengelernt. Aber es gab nur eine »Sie«, die meine Kontaktdaten hatte und es wagen würde, das Thema George in meiner Gegenwart auch nur anzusprechen.
Dave wartete vor der Tür zur Bürowohnung. Er wirkte aufgeregt. Ich hielt lange genug inne, um ihn bei den Schultern zu packen, kräftig durchzuschütteln und zu sagen: » Warum habe ich ihre E-Mails nicht gesehen?«
»Der neue Spamfilter hat sie wohl abgefangen«, antwortete er etwas grünlich im Gesicht. Anscheinend machte ich ihm Angst. Doch mein Mitgefühl hielt sich in Grenzen, da ich mir bereits um so viel Wichtigeres Gedanken machte. »Wenn sie die falschen Schlüsselwörter benutzt hat … «
»Bring das in Ordnung!« Ich stieß ihn so fest von mir, dass er mit den Schultern gegen die Wand knallte. Dann drehte ich mich um und öffnete die Wohnungstür.
Alaric war gerade dabei, meiner »Gesellschaft« eine Tasse Kaffee zu reichen und sich höflich für meine Abwesenheit zu entschuldigen. Als ich eintrat, verstummte er und drehte sich zu mir um, und sie erhob sich halb, mit einem kleinen, beinahe ängstlichen Lächeln auf den Lippen.
»Hi, Shaun«, sagte Kelly. »Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«
Während des Erwachens gab es viele Möchtegern-Weltretter, aber einige ragen aus der Masse heraus. Einer davon ist Dr. William Matras, ein Virologe, der in Atlanta für den Seuchenschutz arbeitete. Da ein Regierungserlass jede Berichterstattung über die sogenannte »Wandelnde Pest« verbot, konnte die Behörde die Bevölkerung nicht vor der aufziehenden Krise warnen. Dr. Matras nutzte den einen Kommunikationskanal, von dem er wusste, dass er nicht überwacht wurde: den Blog seiner Tochter Wendy. Er stellte alles, was er über die Epidemiologie der Wandelnden Pest wusste, online und gab der Welt damit die Waffen gegen die Krankheit an die Hand.
Man machte Dr. Matras wegen Hochverrats den Prozess, sprach ihn nachträglich in allen Punkten frei und verlieh ihm eine posthume Belobigung für seine Tapferkeit im Dienst. Sein Sohn, Ian Matras, ist der derzeitige Leiter der Weltgesundheitsorganisation. Seine älteste Tochter Marianne Matras-Connolly lehrt an der Universität von Georgetown. Von seinen fünf Enkelkindern sind drei im Familiengeschäft geblieben, wobei die jüngste, Kelly Connolly, derzeit unter Dr. J. Wynne bei der Seuchenschutzbehörde in Memphis studiert.
Wir stehen tief in der Schuld dieser Familie. Ohne Männer wie Dr. Matras sähe die Zukunft der Menschheit sehr viel trostloser aus.
Aus Epidemiologie der Mauer von Mahir Gowda, 11. Januar 2041.
3
Ich hatte Kelly Connolly das letzte Mal gesehen, als sie uns Georges Asche zur Beerdigung brachte. Das Mal davor war es in der Anlage der Seuchenschutzbehörde in Memphis gewesen, wo man George, Rick und mich unter Quarantäne gestellt hatte, nachdem ein anonymer Anrufer behauptet hatte, dass bei uns Kellis-Amberlee ausgebrochen wäre. Nicht gerade die Sorte Begegnungen, bei denen man ungezwungen miteinander umgeht. Ich weiß nie so recht, wie ich mich gegenüber Leuten verhalten soll, die weder zu meiner Truppe gehören noch versuchen, mich umzubringen oder zu interviewen. Meine übliche Taktik – schießen und ins Gesicht schlagen – scheint in solchen Fällen nicht anwendbar zu sein. Kelly schaute mich erwartungsvoll an. Sie hielt den Kaffee, den Alaric ihr gereicht hatte, nach wie vor in der Hand. Ich wünschte mir fast, dass sie ihn mir ins Gesicht kippen würde, damit ich eine Ahnung hätte, was ich jetzt machen sollte.
Sag Hallo , schlug George vor.
»Wieso … «, setzte ich an und unterbrach mich, wobei ich die Kiefer mit meiner Zunge dazwischen so fest zuklappte, dass ich Blut schmeckte. Vor meinen Freunden und Mitarbeitern mit George zu reden war eine Sache; sie fanden es ein bisschen komisch, waren aber im Prinzip daran gewöhnt. Vor einer Person mit ihr zu reden, die ich nach wie vor so gut wie gar nicht kannte, war etwas ganz anderes. Ich hatte weder die Zeit noch die Geduld, mich mit den Fragen zu befassen, die das unweigerlich aufgeworfen hätte.
Kelly sah mich noch immer mit erwartungsvoller und langsam auch etwas besorgter Miene an. Den Blick kenne ich. Ich
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