Deadline - Toedliche Wahrheit
hatte.
»Das ist einfach«, sagte ich. »Er war ein selbstgefälliger Scheißkerl und wollte uns wissen lassen, wie toll die Welt geworden wäre, wenn wir ihm die Kontrolle überlassen hätten. Und er hat auf Zeit gespielt, weil er wusste, dass wir nie herausfinden würden, mit wem er zusammengearbeitet hat, wenn er es schafft, sich rechtzeitig die Spritze zu geben. Er wollte, dass wir ihn für den Mann hinter den Kulissen halten. Dass er es ganz allein war. Aber das stimmt nicht. Es ist unmöglich.«
Man fragte mich, wieso es nicht möglich sei.
»Weil dieses Arschloch niemals schlau genug war, um meine Schwester umzubringen.«
Danach kamen keine Fragen mehr. Was hätten sie mich auch fragen sollen. George war tot, Tate war tot, und ich hatte beiden die Kugel verpasst. Vor dem Erwachen hätte man mit einer derartigen Aussage eine Mordanklage am Hals gehabt. Heutzutage kann ich froh sein, dass niemand versucht, mir eine Medaille zu verleihen. Vermutlich hat Rick den damaligen Senator Ryman davon überzeugt, dass bereits ein entsprechender Vorschlag mich zu einem tätlichen Angriff auf einen Staatsdiener veranlasst hätte, und mit solchen Problemen wollte sich keiner herumschlagen. Obwohl ich eigentlich nichts gegen ein bisschen Ablenkung gehabt hätte.
Wo wir gerade beim Thema Ablenkung sind, etwas stieß mir gegens Knie. Ich öffnete ein Auge einen Spaltbreit und stellte fest, dass die Taube nun fleißig an meiner Jeans rumpickte. »Alter, ich bin kein Brotkrümelspender.« Die Taube pickte weiter. »Hat Becks dir Steroide in die Körner getan oder was? Glaub nicht, dass ich nicht wüsste, dass sie dich füttert. Ich habe die Quittung von ihrem letzten Einkauf in der Tierhandlung gefunden.«
»Da ich keinerlei Versuche unternommen habe, es vor dir zu verbergen, wäre es ein bisschen beunruhigend, wenn du nichts davon wüsstest«, sagte Becks etwa einen Meter hinter mir. »Wie dem auch sei, du hast die Quittung bemerkt und nicht die Zehnkilotüte Vogelfutter im Büroschrank. Das spricht nicht gerade für deine Bobachtungsgabe.«
»Aber es spricht sehr wohl dafür, dass ich auf Kleinigkeiten achte.« Ich drehte mich zu ihr um, was die Taube veranlasste, aufzuflattern und sich ein sichereres Plätzchen zu suchen. »Gibt es einen Grund dafür, dass du die heilige Ruhe des Daches störst?«
Becks verschränkte die Arme in einer halb verteidigenden Haltung vor der Brust. Ich habe keine Ahnung, warum sie mich manchmal so anschaut. Ich habe sie nie geschlagen. Dave habe ich ein paarmal eine reingehauen, und Alaric habe ich die Nase gebrochen, aber sie habe ich nie angerührt. »Dave meinte, dass du schon seit drei Stunden hier oben bist.«
Ich blinzelte. »Tatsächlich?«
Ich dachte mir, dass du etwas Schlaf gebrauchen kannst , sagte George.
»Toll, danke«, brummte ich. Man sollte meinen, dass es ein paar praktische Nebenwirkungen hätte, seine Schwester im Kopf mit sich herumzuschleppen, wie zum Beispiel Schlaflosigkeit, aber ich habe eben kein Glück. Ich kriege all die Nachteile des Verrücktseins ab und keinen der Vorzüge.
»Ja, tatsächlich«, sagte Becks mit einem kleinen Nicken. »Wir sind das Videomaterial durchgegangen. Wir haben ein paar großartige Bilder, insbesondere von Alaric mit der Brechstange in der Hand. Also aus der Zeitspanne, bevor alles schiefgelaufen ist.«
»Du hast doch wohl überprüft, was du mit deiner Lizenz alles darfst, ehe du ihn das hast machen lassen, oder?«, fragte ich, während ich mich hochstemmte. Mein Rücken war hinreichend steif, um das mit den drei Stunden glaubwürdig erscheinen zu lassen; ich hatte viel zu lange in der gleichen Körperhaltung herumgesessen.
»Natürlich.« Sie klang beleidigt. »Solange ich mich in einem Umkreis von drei Metern aufhalte und er sich nicht in unmittelbarer und unabgesprochener Gefahr befindet, bin ich als Journalistenausbilderin voll im Recht. Wofür hältst du mich, für einen Neuling im Feld?« Sie klang, als fühlte sie sich stärker angegriffen, als es durch meine Frage gerechtfertigt war, denn dahinter steckte eine Frage von ihr: Seit wann kann man mit dir eigentlich keinen Spaß mehr haben? Becks ist unter George als Newsie eingestiegen und hat in meine Abteilung gewechselt, als die Tinte unter ihrem Vertrag noch kaum getrocknet war. Sie ist eine geborene Irwin, und wir beide haben immer gut zusammengearbeitet. Darum habe ich mein Ressort nach meinem Ausscheiden an sie übergegeben. Und anscheinend glaubt sie deshalb tief in
Weitere Kostenlose Bücher