Deathbook (German Edition)
etwas vergessen hatte. Er hatte den Verlauf seiner letzten Online-Sitzung nicht gelöscht, und nun hatte er dummerweise seiner aktuellen Freundin Tatjana erlaubt, an seinem Laptop zu surfen.
«Scheiße», flüsterte Tommy, der gerade auf der Toilette saß. Er hatte oben im Haus sein eigenes Bad mit einer Verbindungstür zu seinem Zimmer.
Was hatte Tatjana entdeckt? Alles? Hoffentlich nicht. Tommy wusste ja, wie empfindlich sie auf solche Sachen reagierte. Mit ihr zusammen konnte man sich nicht einmal einen für Jugendliche freigegebenen Horrorfilm anschauen. Schon bevor der Film losging, verkrampfte sie die Hände in der Decke und zog später bei jeder guten Slasherszene die Decke vors Gesicht. Anfangs hatte Tommy sich darüber amüsiert, nach dem dritten Film fand er es nur noch ärgerlich. Dieses Verhalten verdarb ihm selbst den Spaß an diesen Filmen. Jetzt sah er sie sich nur noch allein an. Und dann war wiederum Tatjana sauer, weil er keine Zeit für sie hatte.
Weiber.
«Tommy!», kam es nachdrücklich aus seinem Zimmer.
Tommy seufzte, spülte, zog die Shorts hoch, wusch sich die Hände, überprüfte sein Aussehen im Spiegel über dem Waschbecken und öffnete dann die Tür.
Tatjana lag bäuchlings auf dem breiten Bett. Sie trug nur ihre Unterwäsche, es war ziemlich warm hier oben unter dem Dach. Als er sie so aufreizend daliegen sah, vergaß Tommy all die Nachteile, die es mit sich brachte, eine empfindliche Freundin zu haben. Tatjana hatte einen echt tollen Körper, ohne ein Gramm Fett zu viel, außerdem einen dunklen Teint und lange dunkle Haare. Man konnte sie ohne weiteres für eine Latina halten. An der Schule war sie eine große Nummer und hätte jeden Typen haben können. Tommy hatte lange baggern müssen, bevor sie sich für ihn interessiert hatte. Aber er war auch nicht der Typ, der schnell aufgab, wenn er einmal einen Korb bekam. Ganz im Gegenteil, eine Abfuhr motivierte ihn nur noch mehr. Immerhin war er Thomas Resing, einziger Sohn einer reichen Familie und gut aussehend noch dazu.
«Was ist denn, Süße?», fragte er.
«Was ist das für ein Mist hier auf deinem Rechner?»
Tatjana sah ihn aus ihren mandelförmigen braunen Augen an. Heute trug sie mal wieder ihre extralangen Wimpern. Ihr Augenaufschlag löste ein Kribbeln in seinem Bauch aus. Die Mimik jedoch machte es sofort wieder zunichte.
Sie war angewidert.
Tommy ließ sich neben sie aufs Bett sinken und warf einen Blick auf den Laptop. Bis zuletzt hatte er gehofft, dass sie nicht alles entdeckt hatte, was dieser Anima Moribunda ihm zugespielt hatte. Diese Hoffnung wurde jetzt zerstört. Auf dem Bildschirm war das Gesicht einer toten Frau zu sehen. In der linken Wange klaffte eine eklige Wunde, durch die der Kieferknochen weiß hervorstach. Die Augen waren noch oben verdreht, die Zunge hing aus dem Mund.
«Ach, das …», Tommy versuchte sich in Gleichgültigkeit. Er legte Tatjana eine Hand auf den unteren Rücken und fuhr mit den Fingern an den Muskeln rechts und links der Wirbelsäule entlang. Er wusste ja, wie sehr sie das mochte. Normalerweise schnurrte sie dabei immer wie ein Kätzchen.
Jetzt aber nicht.
«Da sind noch mehr von diesen Bildern. So etwas schaust du dir also an, wenn du allein bist?»
«Nein, das war Zufall, dass ich darauf gestoßen bin. Ich war auf der Suche nach einem alten Film und hab diese Fotos gefunden. Ich hab sie aber nur ganz kurz angeschaut. Ehrlich.»
«Und was für einen Film hast du gesucht?» Es klang nicht so, als glaubte sie ihm. Sie waren seit einem halben Jahr zusammen, und Tatjana kannte ihn mittlerweile ziemlich genau. Sie wusste von seiner Leidenschaft für Horror. Was sie nicht wusste, war, wie sehr er sich wünschte, mal jemanden real sterben zu sehen. Nicht immer nur nachgestellt wie in diesen amerikanischen Filmen.
«Gesichter des Todes», sagte Tommy, weil ihm dieser Film spontan einfiel. Den alten Schinken von 1978 kannte er in- und auswendig, nichts davon konnte ihn noch wirklich flashen.
«Der ist doch verboten», empörte sich Tatjana.
Tommy ließ seine Hand an der Seite ihres Brustkorbs entlang- und einen Finger unter den Träger ihres BH gleiten.
«Da irrst du dich, der war in Deutschland nie verboten. Komm, mach das Bild doch weg, ich kann mir gerade was Besseres vorstellen.»
Schwungvoll schlug Tatjana den Deckel des Laptops zu und drehte sich auf den Rücken.
«Ich werde nie verstehen, warum du dir so einen Dreck anschaust.»
Sie klang traurig.
«Ich weiß auch
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