Deathbook (German Edition)
Davor hatte er das Gelände ein paar Tage beobachtet. Nie war ihm jemand begegnet. Und da der Krater tief in die Erde reichte und von einem Saum junger Birken umgeben war, würde niemand sehen, was er hier tat. Er war sehr zufrieden mit seiner Auswahl des Ortes. Die Abgeschiedenheit und Ruhe dieses Platzes gefielen ihm.
Er erreichte den ebenen Grund des Kraters, umrundete eine Gruppe von Birken und lief weiter vor bis an den westlichen Hang. Dort angekommen, ließ er die schweren Holzbalken fallen und schüttelte seine schmerzenden Arme aus. Dann setzte er auch den Rucksack ab, wandte sich nach rechts und stieg den steinigen Hang ein Stück weit hinauf, bis er ein Plateau erreichte, auf dem dichtes Gras kniehoch wuchs.
Die Bretter waren noch da. Wie die Pfosten gehörten sie zu seinem alten Jugendhochbett aus billigem Kiefernholz. Er hatte es im Schuppen hinterm Haus gefunden. Er trug die Bretter hinunter und legte sie zu den Pfosten. Im Licht seiner Stirnlampe betrachtete er das Material eine Weile und überlegte, wie es zusammenpasste. Dann holte er das Werkzeug aus dem Rucksack und begann mit der Arbeit.
Nach einer Stunde war er verschwitzt, aber das Bett stand. Die Liegefläche befand sich in anderthalb Meter Höhe. Das erschien ihm zu niedrig. Er durchsuchte die Kiesgrube nach größeren Steinen, von denen er so viele unter die Beine stapelte, bis das Bett ungefähr zwei Meter hoch war.
Schon besser.
So würden die Flammen länger brauchen, bis sie die Liegefläche erreichten.
Er ruhte sich einen Moment aus, trank von dem mitgebrachten Wasser, betrachtete sein Werk und war sehr zufrieden. Schließlich stand er auf und sammelte alles trockene Holz, das er in der Grube und im umliegenden Wald finden konnte.
Im Internet hatte er sich Informationen besorgt, er wusste, wie er vorzugehen hatte. Nur trockenes Holz kam in Frage. Nasses Holz qualmte zu stark, die Person auf dem Bett würde das Bewusstsein verlieren. Das war nicht in seinem Sinne, es würde ein schlechtes Video ergeben.
Es dauerte zwei weitere Stunden, bis er genug Holz unter dem Hochbett aufgeschichtet hatte. Einiges davon legte er als Matratzenersatz auf den einfachen Rolllattenrost der Liegefläche. Danach nahm er eine kleine Kamera und ein Stativ aus dem Rucksack und kletterte den Hang hinauf. Die losen Steine rutschten unter seinen Füßen weg, und es dauerte eine Weile, bis er den oberen Rand erreichte. Er schwitzte stark und war erschöpft, aber diese Probe musste sein.
Er suchte sich ein geeignetes Gebüsch direkt am Steilhang. Dort hinein postierte er das Stativ und montierte die Kamera obenauf. Das rechte Auge auf den Sucher gepresst, justierte er die Kamera, so gut es eben ging. Dann stieg er den Hang wieder hinab. Er wusste, dass er diese Prozedur eventuell wiederholen müsste, aber das war es ihm wert. Er freute sich auf das Video, das die Kamera aufnehmen würde.
Die Kamera mit der Infrarotfunktion war auf das Hochbett mit dem Scheiterhaufen gerichtet. Alles war in milchig grünes Licht getaucht, man konnte die Szenerie gerade noch erkennen. Von rechts trat eine große Gestalt in schwarzem Kapuzenpullover ins Bild, kletterte auf das Bett und legte sich auf die Reisigmatratze. Die Kamera zeigte nur ihre Beine und den Oberkörper. Für einen Moment lag die Gestalt still.
Dann fing sie plötzlich schrill an zu schreien und mit Armen und Beinen um sich zu schlagen, ganz so, als würde sie verbrennen.
A m übernächsten Morgen um elf Uhr war ich wieder an Kathis Schule. Ich war unausgeschlafen und nicht besonders gut drauf. Immer noch lag mir der Abend bei Heiko und Iris auf der Seele. Er hatte in einem Fiasko geendet. Iris hatte in Kathis Zimmer einen Zusammenbruch erlitten. Mein Bruder hatte den Notarzt gerufen, der ihr ein Beruhigungsmittel spritzte. Heiko hatte mir Vorwürfe gemacht, ich würde alles nur noch schlimmer machen, und mir nicht erlaubt, noch einmal in Kathis Zimmer zu gehen. Dabei musste ich so dringend an ihren Laptop.
Für mich waren die merkwürdigen Videos ein eindeutiges Indiz: Jemand hatte Kathi beobachtet, und vielleicht war diese Person auch für ihren Tod verantwortlich. Womöglich gab es auf dem Computer noch mehr Videos oder weitere Informationen, aber ich kam nicht mehr an ihn heran. Vielleicht in einer Woche, wenn sich die Wogen geglättet hatten, aber nicht jetzt. Gestern hatte ich deswegen Jan Krutisch angerufen, meinen Computerspezi. Ich hatte ihn gefragt, ob er von außen auf Kathis Computer
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