Deathbook (German Edition)
zugreifen könne, aber da ich keine IP -Adresse hatte, ging das nicht. Jan hatte angeboten, mir ein Programm zu schicken, das ich auf Kathis Computer starten sollte. Damit könnte er die Festplatte aus der Ferne auslesen. Aber ich kam ja nicht heran!
Auch deshalb kam der Anruf der Lehrerin genau zum rechten Zeitpunkt. Vielleicht brachte mich das ja weiter.
Um zehn vor acht, noch vor Unterrichtsbeginn, hatte Astrid Pfeifenberger mich angerufen und gebeten, vorbeizukommen. Ihr Kollege Franz Altmaier war gerade von der Fortbildung zurück. Er wollte mit mir sprechen und mir etwas zeigen. Also betrat ich innerhalb weniger Tage zum zweiten Mal das Schulgebäude.
Ich war gespannt. Der Name Altmaier war mir nicht unbekannt. Als Astrid Pfeifenberger ihn vorgestern erwähnt hatte, war der Groschen noch nicht gleich gefallen, erst später, als ich über das merkwürdige Schulprojekt nachgedacht hatte. Kathi hatte sowohl ihre Klassenlehrerin als auch Franz Altmaier mir gegenüber mal erwähnt. Ich glaubte mich erinnern zu können, dass es während einer Kanutour gewesen war, die wir zusammen unternommen hatten. Während sie ihre Klassenlehrerin Frau Pfeifenberger sehr gemocht hatte, war ihr Verhältnis zu Altmaier eher zwiespältig gewesen. Er war gut darin, seine Schüler zu motivieren, und brachte den Unterrichtsstoff lebendig rüber. Aber Kathi hatte gesagt, seine Jovialität ginge ihr auf die Nerven. Er hätte dafür nicht genügend Taktgefühl und seine wahre Absicht, sich bei den besonders hübschen Schülerinnen beliebt zu machen, sei mehr als deutlich zu erkennen gewesen.
In der Eingangshalle der Schule roch es nach Essigreiniger. Der Hausmeister war an den Getränkeautomaten beschäftigt und warf mir einen misstrauischen Blick zu.
«Kann ich Ihnen helfen?», fragte er.
«Ich bin mit Herrn Altmaier verabredet», antwortete ich.
«Und wo?»
«Na hier.»
«Im Lehrerzimmer, in einem der Besprechungsräume oder vielleicht in der Mensa?»
Bevor ich etwas erwidern konnte, kam ein Mann die Treppe herunter. Kathi hatte sein Äußeres nie beschrieben, und unter dem Namen Franz Altmaier hatte ich mir einen kahlköpfigen Mann kurz vor der Pensionierung vorgestellt, vor dem die Schüler strammstanden. Aber jetzt trat mir ein Mittdreißiger mit blonder Wuschelmähne, ein wenig zu viel Gewicht und offenem Lächeln entgegen und hielt mir die Hand hin.
«Herr Winkelmann, nehme ich an», sagte er.
Wir schüttelten uns die Hände. Seine war unangenehm feucht.
«Vielen Dank, dass Sie mit mir sprechen wollen», sagte ich. «Sie haben Kathi unterrichtet?»
«Sie war nicht in meiner Klasse – also nicht in den Hauptfächern, aber in meiner Arbeitsgruppe für Gestaltung und digitale Medien. Kommen Sie, gehen wir nach oben, meine Klasse ist gerade beim Sport.»
Er ging die Treppe hinauf voran.
«Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut», sagte er. «Kathi war wirklich eine ganz außergewöhnliche Schülerin. Sehr engagiert. In welcher Beziehung standen Sie zu ihr?»
«Ich bin ihr Onkel väterlicherseits. Kathi träumte davon, Bücher zu schreiben, und darüber haben wir uns oft unterhalten. Ich mochte sie sehr.»
Selbst in meinen Ohren klang das mechanisch, emotionslos, irgendwie aufgesagt. Aber was sollte ich dem Mann auch sagen? Er war ein Außenstehender und würde die besondere Beziehung zwischen Kathi und mir nicht verstehen.
«Ach so», sagte Herr Altmaier. Wir erreichten die erste Etage, und er dirigierte mich rechts den Gang hinunter. «Ich muss leider gestehen, ich kenne keines Ihrer Bücher. Ist nicht ganz mein Genre.» Sein entschuldigendes Lächeln hatte etwas Herablassendes. Spätestens jetzt verstand ich Kathis Abneigung und war beeindruckt von der Menschenkenntnis, die sie mit knapp sechzehn schon gehabt hatte. Ich hatte Mühe, meine Emotionen zu verheimlichen.
«Kein Problem, damit sind Sie nicht allein. Kathi hat sie aber gelesen und gemocht.»
«Wie schön … so, hier herein bitte.»
Wir betraten einen Klassenraum, der aussah wie fast alle Klassenräume in Deutschland: nüchtern, einfach, unbehaglich.
«Ich hab es vorn auf dem Lehrerpult», sagte Franz Altmaier und ging voran. «Sagen Sie, ist die Polizei mit den Ermittlungen schon weiter?»
«Die Polizei ermittelt nicht mehr. Man geht dort von einem Suizid aus. Allenfalls noch von einem Unfall. Sogar der Ausdruck ‹jugendlicher Leichtsinn› ist gefallen.»
«Aber Sie glauben nicht daran?»
Am Lehrerpult angekommen, wandte Franz
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