Deathbook (German Edition)
nicht, einfach so aus Spaß.»
Tommy legte einen Hand auf ihren Bauch. Er war warm und die Muskulatur unter der Haut hart vom Schwimmtraining.
«Es ist doch kein Spaß, wenn Menschen sterben. Stell dir vor, du stirbst und jemand filmt dich dabei. Würdest du das lustig finden?»
Tommy schüttelte Kopf. «Das ist doch alles nur Fiktion, nicht real.»
Dies war sein letztes, ultimatives Argument, gegen das Tatjana kaum etwas sagen konnte. Und es war gelogen. Er war ja auf der Suche nach realistischem Material. Nach so genannten Snuff-Videos, von denen es hieß, sie seien bloß eine Legende. Aber im Netz kursierten immer wieder die wildesten Gerüchte in einschlägigen Foren. Irgendjemand hatte immer irgendetwas gesehen, aber niemand konnte oder wollte eine genaue Adresse nennen.
Vielleicht war Tommy bei diesem Anima Moribunda jetzt aber an der richtigen Adresse. Es schien so. Zwar hatte er Tommy bisher nicht dieses Video zugespielt, von dem es hieß, es würde einem schlecht werden, aber der Typ behauptete, er hätte es. Und die Fotos, die er Tommy geschickt hatte, waren schon echt krass. Sie waren ein Lockmittel, das war Tommy klar. Irgendwas würde Anima Moribunda haben wollen für das Video. Mehr als das Übliche wahrscheinlich. Egal. Geld spielte in Tommys Leben keine große Rolle. Es war immer welches da.
Tatjana ließ es zu, dass er ihren BH noch oben schob und ihre Brust streichelte. Ihr Gesicht wurde weicher, doch in ihren hübschen Augen lag immer noch Traurigkeit.
Sie legte ihm ihre flache Hand an die Wange.
«Du bist so ein liebevoller, süßer Mensch … ich verstehe diese andere Seite an dir nicht. Sie passt so gar nicht zu dem Tommy, der mich jetzt gerade anschaut.»
«Süße», sagte Tommy und schmiegte sich an ihre Hand. «Das liegt an meinem Vater, der hat sich immer solche Filme angeschaut. Außerdem glaube ich, das machen alle Jungs in meinem Alter.»
«Aber du bist doch anders als die anderen.»
«Bin ich das?»
«Sonst läge ich jetzt nicht in deinem Bett.»
Sie winkelte ihr Knie an und streifte die Innenseite seiner Oberschenkel. Ihre Hand streichelte seinen Rücken. Tommy bekam eine Gänsehaut.
«Versprich mir, dass du es seinlässt», flüsterte sie und sah ihn wieder mit diesem unglaublichen Augenaufschlag an.
«Für dich tue ich alles», sagte Tommy und wollte sie küssen.
Tatjana schüttelte den Kopf.
«Versprich es.»
«Ich verspreche, ich bessere mich.»
Nun ließ sie es zu. Als er ihre warmen weichen Lippen spürte, war Tommy tatsächlich entschlossen, sein Versprechen zu halten. Aber nicht sofort. Das ging nicht. Er hatte bei diesem Anima Moribunda quasi eine Bestellung aufgegeben, hatte dafür seine Postadresse angeben müssen, und er freute sich wie ein kleines Kind auf das versprochene Video.
D as grobe Profil seiner Arbeitsstiefel hinterließ tiefe Abdrücke im vom Regen aufgeweichten Boden. Sobald die Wolken aufrissen, verwandelten sich die Pfützen in silberne Spiegel. Von den Blättern der Büsche und Bäume tropfte unaufhörlich Wasser auf ihn nieder. Das Haar klebte nass an seinem breiten Schädel, aber er bemerkte es kaum. Er trug schwer an den vier Holzpfosten und dem Rucksack mit dem schweren Feuerlöscher darin. Der Weg war weit, seine Arme schmerzten, immer wieder musste er die Holzpfosten absetzen.
Er näherte sich der ehemaligen Kiesgrube vom Wald her. An einigen Stellen standen noch Reste eines Maschendrahtzauns, dessen Drahtlappen schlaff herunterhingen. Ein mit Grünspan überzogenes Schild warnte vor dem Betreten des Geländes. Seit sieben Jahren wurde hier kein Kies mehr abgebaut, nach und nach hatte die Natur sich das weitläufige Areal zurückerobert. Die Wege waren zugewuchert, lange Ranken der wilden Brombeere versperrten den Durchgang. Das Gelände lag weit abseits, niemand verirrte sich hierher.
Für seine Zwecke war das ideal. Und falls er wider Erwarten doch entdeckt werden sollte, gab es unzählige Fluchtmöglichkeiten. Er kannte jede einzelne, Vorbereitung und Perfektion waren wichtig für sein Projekt. Ob hier oder im Netz, spielte keine Rolle. Alles musste perfekt sein.
Über eine ehemalige Rampe stieg er in die fünfzehn Meter tiefe Grube hinab. Sein Ziel war die tiefste Stelle. Der geschotterte Weg führte steil hinab in den Krater. An den Hängen wuchsen hoch aufgeschossene Birken, dazwischen wucherte hartes Binsengras. Viel mehr gedieh nicht in dem steinigen Boden. Er war bereits zweimal hier gewesen, um Material herzuschaffen.
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