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Deathbook (German Edition)

Deathbook (German Edition)

Titel: Deathbook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Boden gerichtet. Egal wie das Wetter war, er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, nicht aufzublicken. Er hatte keine Probleme damit, anderen Menschen in die Augen zu sehen. Womit er ein Problem hatte, war die Hässlichkeit seiner Umgebung. Würde jemand ihm den Architekten zeigen, der dieses Ghetto in den siebziger Jahren entworfen hatte, Troublemaker würde ihn eigenhändig am nächsten Baum aufknüpfen. Selbst wenn die Sonne schien, wurde es zwischen den zum Teil zwanzig Stockwerken hohen Gebäuden nicht schöner, und kein noch so starker Gewitterschauer konnte den Dreck fortspülen, den hier schon lange niemand mehr wegräumte.
    Und doch, hier spielte sich sein Leben ab. Hier war seine Familie, dies war seine Heimat.
    Er musste sie nicht mögen, es war einfach so.
    Bis zum Spielplatz waren es fünf Minuten. Es störte ihn nicht, dass er auf dem Weg dorthin nass wurde. Auf dem Spielplatz gab es einen Unterstand aus Holz. Zwei schräg gegeneinandergelehnte Holzplatten, die wohl ein Zelt nachbilden sollten. Eine der beiden offenen Seiten hatten sie selbst mit Brettern vernagelt, damit es nicht hindurch zog und sie besser vor Blicken geschützt waren. Tagsüber kam es vor, dass sich Kinder dort aufhielten, nach achtzehn Uhr aber nicht mehr. Dafür hatten sie gesorgt.
    Sie hätten sich auch im Jugendcontainer treffen können, aber für das, was sie besprechen wollten, war der Container nicht der richtige Ort. Die anderen Wichser durften davon nichts erfahren. Außerdem hatte heute Friedhelm dort Aufsicht. Friedhelm war der Streetworker des Sozialamtes, der für ihren Stadtteil zuständig war. Friedhelm, «das Tier», so wurde er hier von den Kids genannt. Obwohl das nicht gerade nett klang, schwang doch so etwas wie Respekt darin mit. Mit «das Tier» war nämlich seine Körpergröße gemeint. Er war zwei Meter groß und sicher 120  Kilo schwer. Selbst die Jungs, die regelmäßig Kampfsport betrieben, wagten es nicht, sich mit Friedhelm anzulegen. Es hieß, er habe früher wegen Körperverletzung gesessen. Eigentlich war der Typ ganz in Ordnung. Troublemaker hatte auch keine Angst vor ihm. Aber als Angestellter der Stadt standen Recht und Ordnung ganz oben auf seiner Agenda, deshalb durfte Friedhelm nichts von diesen Videos erfahren.
    Troublemaker war richtig nervös wegen der Sache. Er hatte sich das Video, in dem der Junge auf dem Hochbett verbrannte, ein dutzend Mal angesehen. Die Kamera hatte nichts ausgeblendet, alles war zu sehen, und genau für diese Art von Videos gab es im Netz einen großen Markt. Scheiße: Alle, die er kannte, würden dafür blechen, mindestens einen Fuffziger. Das war geiler als Sex, und selbst die fette Rumänin in der achten Etage von Nummer  13 nahm fürs Wegstecken einen Fuffziger.
    Als Troublemaker die Hütte auf dem Spielplatz erreichte, war KingofSpeed schon da. Wie ein leb- und knochenloses Bündel hockte er zusammengesunken auf der rechten der beiden Holzbänke in der dunklen Hütte.
    Sie begrüßten sich.
    «Mann, ich hasse dieses Scheißwetter», sagte KingofSpeed. «Wir hätten doch auch mit meiner Karre rumfahren können.»
    Er war der Einzige aus ihrer Clique, der ein Auto besaß, einen alten, aufgemotzten Golf GTI . Troublemaker fuhr aber nicht gern mit ihm mit. Auf dem Beifahrersitz verlor er irgendwie seinen Status als Anführer. Er fühlte sich dann wie ein kleiner Junge.
    «Is mir lieber hier», sagte Troublemaker und ließ sich auf die andere Holzbank fallen. «Haste was dabei?»
    «Nee, aber Phantom bringt was mit.»
    KingofSpeed machte eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker im dritten Jahr, deshalb war er meistens flüssig. So wie es aussah, würde er den Abschluss sogar schaffen. Das hätte Troublemaker diesem lethargischen Kerl gar nicht zugetraut. Aber alles, was mit Motoren zu tun hatte, interessierte den King schon immer. Ein weiterer Grund war aber wohl, dass sein Vater ihn aus der Wohnung schmeißen würde, wenn er nicht zur Arbeit ging.
    Phantom traf ein paar Minuten später mit Bitchhunter im Schlepptau ein. Die beiden versteckten sich unter einem großen blauen Regenschirm, ihr Gekicher konnte man schon von weitem hören. Das nervte Troublemaker. Seit die beiden zusammen waren, führten sie sich auf wie die letzten Deppen. Immer nur vögeln und knutschen und tatschen. Es gab Tage, da bereute Troublemaker es, dass ein Mädchen zu ihrer Clique gehörte. Obwohl Bitchhunter eigentlich ganz cool war und richtig scharf aussah.
    Sie ging sogar aufs Gymnasium.

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