Deathbook (German Edition)
schüttelte den Kopf.
«Ich mach da nicht mit.»
«Deine Entscheidung», sagte Troublemaker. «Aber komm später nicht an, du willst was von der Kohle sehen.»
«Das ist Blutgeld, darauf kann ich verzichten.»
«Ist mir scheißegal, was das für Geld ist. Und allen anderen in dieser beschissenen Welt auch.»
U m achtzehn Uhr stand mir an diesem Tag der zweite schwere Gang bevor: ein Besuch bei meinem Bruder Heiko und seiner Frau. Mein Gewissen quälte mich, weil ich seit jenem unglücklichen Abend nichts mehr von mir hatte hören lassen. Natürlich wollte ich nach wie vor an Kathis Laptop, aber ich würde es nicht erzwingen. Dafür war mir mein Bruder viel zu wichtig. Mehr Familie als ihn hatte ich nicht. Unsere Eltern lebten in Spanien, wir hatten kaum noch Kontakt.
Ich hatte zuvor angerufen, und als ich die Einfahrt des Einfamilienhauses hinauffuhr, empfing Heiko mich an der Haustür. Wir umarmten uns.
«Wie geht es euch?», fragte ich. Eine Floskel und angesichts seines Äußeren vielleicht überflüssig, aber ich wollte es wirklich wissen.
«Soll ich ehrlich sein?»
«Bitte.»
«Beschissen. Iris kommt einfach nicht wieder auf die Beine. Sie packt das nicht. Ich verstehe sie ja, aber ich mache hier alles, wirklich alles, und ich befürchte, ich klappe auch bald zusammen.»
Heiko hatte Tränen in den Augen. Sein Anblick schnürte mir Herz und Magen zusammen.
«Ist sie drin?»
Er nickte und schluckte mühsam.
«Hast du Lust auf einen Spaziergang?», fragte ich.
«Jetzt?»
«Na los, komm, lass uns ein bisschen gehen und reden.»
Heiko ging ins Haus zurück und kam mit einer leichten Jacke wieder heraus. Wir verließen das Grundstück, hielten uns links und steuerten auf einen Traktorenweg zwischen zwei Äckern zu. Bis wir dort angelangt waren, sagte keiner von uns ein Wort. Erst als uns die Stille umgab und wir sicher sein konnte, dass uns niemand hörte, fragte Heiko:
«Hast du etwas herausgefunden?» Es war eine zögerliche, fast ängstliche Frage.
«Und wenn, möchtest du es dann hören?»
Er nickte sofort. «Ja, unbedingt. Weißt du, neulich, als Iris zusammengebrochen ist, da dachte ich noch, wir müssten einfach nur zur Ruhe kommen. Aber jetzt glaube ich das nicht mehr. Wir müssen wissen, was passiert ist, sonst werden wir nie Ruhe finden.»
Ich war wirklich froh, das zu hören, und sagte es ihm auch. Dann berichtete ich ihm, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte. Wir blieben unter einer mächtigen Eiche stehen, ich holte das Blatt Papier aus der Innentasche meiner Jacke, faltete es auseinander und gab es ihm.
Heiko las aufmerksam. Dann ließ er das Blatt sinken und sah mich an.
«Und das ist von Kathi?»
«Ich weiß nicht, ob sie es formuliert hat, aber sie hat es mit in die Schule gebracht.»
«Ich bin der Tod 3 . 0 … was soll das heißen? Ich verstehe das nicht», sagte Heiko.
«Ich habe leider keine handfeste Erklärung, nur Mutmaßungen. Ich befürchte, Kathi hat im Internet jemanden auf sich aufmerksam gemacht. Vielleicht hat sie sich in jener Nacht sogar mit der Person an der Bahnstrecke getroffen. Wie gesagt, ich kenne die Zusammenhänge nicht, aber vieles deutet darauf hin. Für Jugendliche findet fast das ganze Leben online statt. Das können wir uns gar nicht vorstellen.»
Ich wusste, dass Heiko nichts für Computer übrighatte. Hin und wieder schrieb er mal eine Mail von dem alten Rechner im Wohnzimmer aus. Aber weder er noch Iris besaß einen Facebook-Account oder war bei Twitter aktiv. Die digitale Welt war ihnen so gut wie unbekannt.
Er sah mich mit seinen großen traurigen Augen an.
«Online? Heißt das, wir erfahren nie, was passiert ist?»
«Oh doch, wir erfahren es, das verspreche ich dir. Aber ich brauche dafür ein wenig Hilfe von euch.»
«Was für Hilfe?»
«Ich muss unbedingt noch einmal an Kathis Rechner. Nur für ein paar Minuten. Ich bin mir sicher, ich finde darauf Hinweise. Meinst du, Iris hat noch immer etwas dagegen?»
Heiko zuckte mit den Schultern und ließ seinen Blick über den Horizont wandern. «Ich weiß nicht, ich denke nicht. Sie lässt dich bestimmt nicht wieder in Kathis Zimmer, aber ich kann ja den Computer holen.»
«Bitte …», ich legte ihm die Hand auf den Arm. «Tu es für deine Tochter. Es ist wirklich wichtig.»
Wir gingen zurück. Im Haus begrüßte ich Iris mit einer Umarmung. Es fühlte sich an, als hielte ich eine leere Hülle in den Armen. Ihr Zustand verstörte mich, aber sie hatte nichts dagegen, dass
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