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Deathbook (German Edition)

Deathbook (German Edition)

Titel: Deathbook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Heiko mir den Rechner überließ, ich durfte ihn sogar mitnehmen.
    Ich blieb noch eine halbe Stunde bei den beiden. Es war die quälendste und längste halbe Stunde meines Lebens.
     
     
    I n der Plastiktüte befand sich nur das Nötigste. Brot, Aufstrich, Milch, Müsli und ein paar Süßigkeiten. Sie war trotzdem schwer, und die Tragegriffe schnitten Ann-Christin in die Handfläche. Erst als es draußen zu dämmern begonnen hatte, war sie aufgebrochen. Weil sie selbst in dem Supermarkt arbeitete, wusste sie, dass nach zwanzig Uhr bis Ladenschluss um zweiundzwanzig Uhr kaum noch Kunden dort waren. Sie hatte keine Lust auf ein Gespräch oder Beileidsbekundungen. Ihr Chef hatte ihr zwei Wochen Urlaub genehmigt, als er vom Tod ihrer Mutter erfahren hatte. Eine Woche regulär, die andere auf seine Kosten. Ann-Christin war überrascht gewesen von seiner Großzügigkeit.
    Im Laden hatte sie nur an der Kasse mit Helga sprechen müssen. Die alte Frau übernahm wochentags die Spätschicht. Sie hatte Ann-Christin in den Arm genommen und sie kräftig gedrückt. Auch davon war sie überrascht gewesen. Im Alltag gingen die Menschen oft rücksichtslos miteinander um, aber der Tod veränderte vieles.
    Der Abend war mild, und Ann-Christin genoss die frische Luft. Den Schock vom Vormittag hatte sie mittlerweile verdaut. Sie hatte ja immer gewusst, was für ein Arschloch Gustav war. Hoffentlich ließ er sich nie wieder blicken.
    Als sie an der Ecke Rosenweg/Lärchenstraße abbog, hatte Ann-Christin plötzlich das Gefühl, nicht allein zu sein. Sie sah sich um. Die Pilzlampen warfen nur wenig Licht auf den Bürgersteig und die Straße. Dazwischen herrschte Dunkelheit.
    Nein, da war niemand.
    Sie wechselte die Tasche in die andere Hand und ging weiter. Wurde schneller. Schon nach ein paar Metern holte sie das Gefühl wieder ein. Diesmal blieb sie nicht stehen, sondern konzentrierte sich beim Gehen auf Geräusche. Schritte hörte sie nicht, aber das Gefühl, beobachtet zu werden, blieb.
    Mit einem Ruck fuhr sie herum.
    Vorn an der Kreuzung fuhr in diesem Moment ein Wagen vorbei. Ein Pärchen wechselte eng umschlungen die Straßenseite, nahm aber keine Notiz von ihr. Die Lärchenstraße war eine enge Wohnstraße, in der die Einfamilienhäuser dicht an dicht standen. Die Vorgärten waren nicht sehr groß, aber üppig bepflanzt. Hinter dichten Laubhecken oder Zypressenreihen gab es zahllose Verstecke.
    Ann-Christin musste an den Abend denken, an dem sie Mama gefunden hatte. Da hatte sie auf den letzten Metern zum Haus auch das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Aber nicht so stark wie heute. Ann-Christin konnte die Anwesenheit eines Fremden förmlich spüren.
    Die Angst ließ sie erschauern. Sie ging ein paar Schritte rückwärts, stolperte über einen leicht erhöhten Pflasterstein, drehte sich herum und lief. Zum Glück hatte sie Schuhe mit flachen Absätzen angezogen. Die Tüte mit den Einkäufen schlug schmerzhaft gegen ihr Bein.
    Wer verfolgte sie?
    Gustav?
    Oder vielleicht doch ihr Vater?
     
     
    V on diesem Berufsbild hatte ich noch nie gehört, das gab es wohl nur in den USA : den digitalen Bestatter. Internetseiten wie «Deathswitch» oder «AssetLock» kümmerten sich dort um den digitalen Nachlass Verstorbener. Bei Deathswitch musste man als Lebender in bestimmten Abständen sein Passwort eingeben. Blieb es aus, kümmerten sich die Betreiber um den Nachlass. Löschten, was gelöscht werden, und bewahrten, was der Nachwelt erhalten bleiben sollte.
    Ich hatte diese Information auf Kathis Laptop entdeckt. Kaum zu Hause, war ich geradezu darüber hergefallen. Zum Glück brauchte ich Jan Krutisch nicht dafür, denn der hatte sich immer noch nicht gemeldet.
    Kathi war noch viel tiefer in die Materie des Todes eingedrungen, als ich befürchtet hatte. Der Verlauf ihres Browsers war voller Seiten mit diesem Thema. Es war die Rede von digitalen Zombies und davon, dass in ein paar Jahren das Netz vom Datenmüll Verstorbener überquellen würde. Jedes Jahr starben den Angaben zufolge 375 000  Facebook-User, und kaum jemand kümmerte sich um deren Profile.
    Was würde die Konsequenz sein?, fragte ich mich. So etwas wie ein digitaler Friedhof, auf dem diese Daten vergraben wurden? Oder eine Form von Unsterblichkeit, die sich vor ein paar Jahren noch niemand hätte vorstellen können? Die Seele eines Menschen würde auch in der Maschine nicht weiterleben, von diesem Quatsch hielt ich nichts, aber wenn der digitale Mensch im Gegensatz zum

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