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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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durch eine kleine, abgedunkelte Laterne an Bug und Heck beleuchtet. In der Dunkelheit und Stille wirkte er grob und schnörkellos wie ein Langschiff der Wikinger, das aus dem Reich der Toten zurückgekehrt war. Lewis fröstelte. Plötzlich überkam ihn das Heimweh so intensiv wie in den ersten Tagen im Herrenhaus ... und doch war es mehr. Er wollte die Zeit anhalten, alles so bewahren, wie es war. Die Last dieser Sehnsucht nahm ihm den Atem.
      »Pa«, sagte er und mußte sich zu jeder Silbe zwingen. »Laß mich hierbleiben. Der Krieg ist doch sowieso eine Farce, das weiß jeder. Es passiert überhaupt nichts. Kein Grund also, warum ich nicht heimkommen sollte.«
      Sein Vater nahm die Pfeife aus dem Mund und seufzte, »Schön wär’s, Lewis. Aber der Krieg wird nur in der Schwebe gehalten, er ist wie ein wildes Tier, bevor es dich anspringt. Ich fühle schon seinen Hauch. Deiner Muttergeht’s genauso.«
      Lewis war lange genug fort gewesen, als daß ihn Anspielungen auf die übersinnlichen Kräfte seiner irischstämmigen Familie verlegen machten ... denn das war etwas, was William und Edwina für abergläubischen Unsinn halten würden. Daher entgegnete er mit aller Bestimmtheit: »Aber in der Zeitung und im Radio heißt es ...«
      »Das spielt keine Rolle. Die wollen nur keine Panik machen. Also tun sie so, als wäre alles beim alten. Aber jeder Idiot hat inzwischen begriffen, daß die Deutschen jetzt nicht einfach Schluß machen werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, Junge, und es ist besser, wenn du dann außer Reichweite bist.« Sein Vater klopfte die Pfeife am Geländer aus und steckte sie in die Jackentasche. »Verstehst du nicht? Dich in Sicherheit zu wissen ist die einzige Beruhigung, die deine Mutter hat. Deine Schwester können wir nicht wegschicken, und deine Brüder haben ihren eigenen Weg gewählt - aber ich glaube, daß es nicht mehr lange dauert, bis alle, die noch kräftig genug für den Kampf sind, eingezogen werden.«
      »Ich melde mich auch freiwillig, wenn’s lange genug dauert«, sagte Lewis, den es ärgerte, daß man ihn immer als Kind behandelte.
      »Du weißt, ich bin kein gläubiger Mann, Junge - das ist deine Mutter, die die hohe Meinung von der Kirche hat -, aber ich bete zu sämtlichen Heiligen deiner Mutter, daß der Krieg vorher zu Ende ist.« Er sah lächelnd auf Lewis herab. »Und jetzt gehen wir lieber zurück, sonst schickt deine Mutter Pater Joseph nach uns aus.«
      Das war, wenn man seinen Vater kannte, so gut wie ein Witz und ein wirksames Mittel, um das Streitgespräch zu beenden. Lewis fiel in den Schritt seines Vaters ein und blieb dicht neben ihm, bis sie den stockfinsteren Park hinter sich gelassen hatten. Sie gingen so schnell, wie es die Verdunklung erlaubte, in die Stebondale Street zurück, und in die Enttäuschung, die an Lewis nagte, mischte sich fast unmerklich Erleichterung.
      Aber auch die Enttäuschung war nur von kurzer Dauer, denn zurück im Haus, war er bald in die Vorbereitungen für das Weihnachtsessen eingebunden. Seine Familie hätte sich nur wenig Luxus leisten können, selbst wenn dieser käuflich zu erwerben gewesen wäre, doch seine Mutter war eine Meisterin darin, noch aus wenig viel zu machen, und sie setzten sich am nächsten Tag an einen schön gedeckten Tisch. Tommy und Edward hatten ihm geholfen, aus Zeitungen Hüte zu basteln, und Cath hatte irgendwoher ein Stück farbiges Papier für das selbstgebastelte Tischfeuerwerk aufgetrieben. Sie hatten die Knallbonbons mit Flitterkram und Scherzsprüchen gefüllt, die unter großem Gelächter am Vorabend zusammengestellt worden waren. Lewis durfte sogar einen Schluck Weihnachts-Gin trinken, was ihm glühende Wangen und eine noch nie dagewesene Toleranz gegenüber den Hänseleien seiner Schwester bescherte.
      Dabei wußte er nicht, welches Geschenk die Familie ihm mit diesem Weihnachtsfest gemacht hatte, denn er hatte nicht die geringste Ahnung, daß es das letzte Mal sein würde, daß sie alle zusammen waren.
     
     

* 11
     
    Die großen Schiffe wurden zur Insel geschleppt, wo sie Hinterhöfe und Gärten überragten, und die fremden Matrosen strömten in die staubigen Straßen, wo die Kinder spielten.
     
      Eve Hostettler, aus: Erinnerungen an eine Kindheit
     
    Kit hatte seit dem Mittagessen fleißig an seinem Hindernisparcours gearbeitet. Der rückwärtige Garten der Millers bot eine ebene und schattige Rasenfläche für seine Bemühungen, und es war ihm gelungen, Laura

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