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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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William war ihm gleichgültig.
      Er hatte das Gefühl, plötzlich eine gespaltene Persönlichkeit zu sein ... die eine konzentrierte sich auf ihre Aufgabe, die andere sah zu. Der letztere Lewis hörte zwar die Stimme seiner Mutter, doch der Lewis, der handelte, ignorierte sie. Seine Hände arbeiteten ruhig und präzise nach den Kenntnissen, die ihm John Pebbles vermittelt hatte. Erst als er fertig war und unter dem Wagen hervorglitt, merkte er, daß er beobachtet wurde.
      William stand direkt hinter der Scheunentür, und Lewis hatte keine Ahnung, wie lange er dort bereits ausgeharrt und was er gesehen hatte. »Du mußt verstehen«, begann William und trat einen Schritt vor. Lewis sah, daß sein Gesicht bleich und angespannt wirkte. »Mein Großvater ist an der Somme gefallen. Mein Vater bekam einen Orden, obwohl er erst neunzehn war, und er leidet noch heute unter den Folgen der Gasangriffe. Wenn sie herausbekommen ...«
      »Deine dämlichen Flugblätter interessieren mich nicht! Du hättest ihn aufhalten können ...«
      »Ich konnte überhaupt nichts tun! Und jetztzt sagt er, daß er's meinen Eltern vielleicht sowieso erzählt, nur weil er Feiglinge haßt. Sie enterben mich ...«
      »Dann geschieht’s dir verdammt recht William Hammond!« Lewis versetzte William einen heftigen Stoß vor die Brust und rannte zur Tür hinaus.
      Er rannte über den Hof und den Hügel hinunter zur Weide, dann den Fluß entlang, mit schmerzenden Beinen und klopfendem Herzen, bis er schließlich auf das weiche Moos am Ufer sank und sich die Seele aus dem Leib weinte.
      Es verging eine gute Stunde, bis er zum Haus zurückkehrte. Das Weinen hatte ihn beruhigt, und er war entschlossen, ungeschehen zu machen, was er getan hatte. Dann wollte er Irene Adieu sagen und das Herrenhaus verlassen ... Es gab keinen anderen Ausweg. Er würde sein wirkliches Alter verschweigen und Soldat werden, oder irgendwo Arbeit finden ... egal, was.
      Aber als er den Stallhof erreichte, hörte er Jammern und Wehklagen aus der Küche, und wußte, daß er zu spät gekommen war.
      Es war Irene, von der er erfuhr, daß Edwina zusammen mit Freddie umgekommen war. Ein Bauernkarren hatte die schmale Straße versperrt, und der Wagen hatte nicht mehr rechtzeitig anhalten können. Irene war diejenige gewesen, die von einem Augenblick zum anderen erwachsen geworden war und alles in die Hand genommen hatte. Sie hatte der Köchin ins Bett geholfen und ihren Vater angerufen; Irene, die Lewis mit William in der Küche allein gelassen hatte ...
      »Sie sollte doch gar nicht mit«, murmelte Lewis wie betäubt. Seine Zunge und sein Denkvermögen waren wie eingefroren. Seine Worte schienen in der Luft zu hängen wie brüchiges Eis.
      »Sie ... sie hat sich in letzter Minute entschlossen.« William saß zusammengesunken am Küchentisch, das Gesicht fleckig vom Weinen. »Er wollte sie zu meinen Eltern mitnehmen. Er hat gesagt ...er hat gesagt, daß er ihnen alles erzählen wolle. Ich habe nicht gedacht... ich habe nicht gedacht, daß sie ...«
      Erst allmählich begriff Lewis, was William da eigentlich gesagt hatte. Er schüttelte den Kopf, um das Rauschen in seinen Ohren zu unterbinden. »Soll das heißen, daß du’s gewußt hast? Du hast das mit dem Wagen gewußt? Und du hast Edwina trotzdem einsteigen lassen?«
      »Ich bin nicht so blöd, wie du denkst. Du bist erschrocken, als du mich in der Scheune stehen sehen hast. Und als du weggerannt bist, habe ich nachgesehen ... Ich dachte, es würde sie nur aufhalten ...«
      »Aufhalten? Du weißt, wie Freddie fährt, und läßt Edwina mit ihm fahren?« Er stürzte sich auf William, packte ihn beim Kragen und riß ihn vom Stuhl. »Du ...du Dreckskerl!« Lewis schrie und schüttelte ihn. »Dafür bringe ich dich um!« Als seine Faust William mitten ins Gesicht traf, machte ihn der Anblick des hellroten Blutes, das William aus der Nase schoß, nur noch wütender.
      William schlug zurück, und sie rangen miteinander, suchten beide nach der Chance für den nächsten Schlag.
      Dann war Irene zwischen ihnen, schrie und zerrte sie auseinander.
      »Hört auf damit! Was ist in euch gefahren? Aufhören! Lewis, wie konntest du?«
      Schwer atmend starrte er sie an. »Ich ... er ...« In diesem Moment wurde Lewis klar, daß er Irene nicht sagen konnte, was er getan hatte ... nicht an diesem Tag, niemals. Und als sich seine und Williams Blicke trafen, erkannte er, daß auch William es

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