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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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bald gezwungen sein würde, sich pensionieren zu lassen, und daß Darcy ihr im Amt als Leiter der Fakultät folgen würde. Dann endlich war er in der Position, sowohl seinem Machtinstinkt als auch seinem Charme Geltung zu verschaffen.
      Und daß er Charme hatte, wurde gerade jetzt offenbar, als er sich dicht zu Christine Peregrines schmalem blondem Kopf hinüberbeugte und sicher irgendeine obszöne Geschichte zum besten gab. Ein Glück, daß sie und Ralph eine alte Freundschaft verband und Ralph nicht so leicht zu erschüttern war.
      »Darcy ist heute abend gut in Form«, sagte Ralph und griff nach der Karaffe, um ihr Wein nachzuschenken.
      »Dachte ich auch gerade«, erwiderte Margery. »Christine sieht heute abend besonders bezaubernd aus.«
      Ralph lächelte. »Das wiederum dachte ich gerade. Ich hatte in letzter Zeit nicht oft die Gelegenheit, ihr an einem Tisch gegenüberzusitzen - sie ist gerade erst von einer Vortragsreise zurück.« Christine Peregrine, eine bekannte Mathematikerin, hatte für die Leidenschaft ihres Mannes für Bücher dasselbe liebevolle Unverständnis übrig wie ihr Mann für Mathematik.
      Wie attraktiv Ralph doch ist, dachte Margery und betrachtete ihn im Kerzenschein. Der schlanke, dunkelhaarige Mann mit dem gewissen Etwas der Intellektuellen war von jeher ihr Typ gewesen - wenn sein dunkles Haar im Laufe der Jahre, die sie sich kannten, auch etwas schütterer geworden war. Sie hatten sich bei einer literarischen Soiree zu Margerys Ehren kennengelernt. Ralph war damals ein frischgebackener Doktor der Literaturgeschichte gewesen und hatte einen Traum, aber kein Geld gehabt, ihn zu verwirklichen. Margery, gleich Feuer und Flamme, hatte ihm unter die Arme gegriffen, was nur wenige wußten. Mittlerweile war das bekannte Peregrine-Logo ein Synonym für gute Literatur.
      Am anderen Tischende lachte Iris laut über eine Bemerkung von Adam. Solange Adam sich durch eine große Portion von Graces Osso Buco gearbeitet hatte, hatte Iris die Unterhaltung in Gang gehalten. Jetzt schien er zu beweisen, daß er es mit Iris’ reichlich dominantem Konversationsstil durchaus aufnehmen konnte.
      Sein Priesteramt dürfte Adam allerdings gelehrt haben, mit dominanten älteren Frauen umzugehen, dachte Margery. Iris, der Schrecken von Lehrkörper und Studenten gleichermaßen, war auf eine geradezu perverse Art ihrer Perserkatze zugetan und konnte nachts ohne Wärmflasche nicht schlafen.
      Margery richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Ralph, der ihr von seiner neuesten Entdeckung, einem jungen Schriftstellertalent, erzählte. Und während sie auf seine Stimme und den Klang von Silber und Kristall horchte, war sie froh, sich die Mühe dieses Abends gemacht zu haben.
      Sie hatten den Hauptgang hinter sich und mit Graces Mousse au chocolat begonnen, als Margery gedämpft das Telefon klingeln hörte.
      »Dame Margery, dieser Nachtisch ist einfach himmlisch«, erklärte Adam. »Man möge mir das unpassende Adjektiv verzeihen«, fügte er mit einem zerknirschten Lächeln hinzu.
      »Dein Boß wird dir diese kleine Entgleisung angesichts der vorzüglichen Qualität von Graces Mousse doch sicher nachsehen, oder?« bemerkte Darcy.
      »Warum ersetzen Sie >himmlisch< nicht einfach durch >ambrosisch      Die Tür zur Küche ging auf, und Grace kam herein. »Wie machst du das, Grace?« fragte Darcy prompt. »Verrate uns dein Geheimnis.«
      »Ja«, sagte Christine. »Bitte sagen Sie es uns. Diese Mousse ist so erstaunlich leicht ...«
      »Entschuldigen Sie«, unterbrach Grace die Flut von Komplimenten. »Aber da ist ein Anruf für Miß Iris. Miß Enid ist am Apparat, und sie klingt entsetzlich aufgeregt.«
      Iris wurde blaß. Ihr Löffel fiel klirrend auf den Teller. »O Gott! Es ist was mit Orlando! Orlando muß was zugestoßen sein.« Sie sprang auf und stieß dabei gegen den Tisch.
      »Sie können das Gespräch im Wohnzimmer annehmen, Miß Iris«, erklärte Grace und führte sie hinaus.
      »Wer ist Orlando?« fragte Adam verwirrt.
      »Ihr Kater«, klärte Margery ihn auf. »Sie liebt ihn abgöttisch. Sie hat ihn nach Virginia Woolfs Romanfigur benannt.«
      »Durchaus passend, findest du nicht?« bemerkte Darcy. »Das arme kastrierte Vieh weiß nicht, ob es Männlein oder Weiblein ist.«
      Die Bemerkung entlockte einigen ein pflichtschuldiges Lächeln, ansonsten warteten alle

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