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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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der Gartenpforte wandten sie sich automatisch nach links in Richtung Cambridge. Vic verhielt sich neutral und vertraute darauf, daß die Bewegung und die Zweisamkeit letztendlich Kits Zunge lösen würde.
      Die feuchte Luft verstärkte sämtliche Gerüche, und als Vic den vollen, erdigen Frühlingsduft einatmete, hatte sie das Gefühl, geradezu riechen zu können, wie alles wuchs. Ein Blick auf Kit, und sie sah, daß sich seine Miene bereits aufgehellt hatte, daß er seine Umgebung fast wieder mit normalem Interesse wahrnahm. Als sie den richtigen Augenblick gekommen glaubte, fragte sie: »Willst du mir sagen, was heute in der Schule passiert ist?«
      Er sah sie an und zuckte die Schultern, aber kurz darauf erklärte er zähneknirschend: »Ich habe Miß Pope mit der neuen Lehrerin reden hören.«
      »Miß Pope? Deine Englischlehrerin?«
      Kit bedachte sie mit dem vernichtenden Blick, den sie für diese dämliche Bemerkung verdient hatte. Sie kannte Miß Elizabeth Pope sehr gut. Sie war um die Dreißig, unverheiratet und ganz offensichtlich Ians Charme erlegen, weshalb sie ihn zu regelmäßigen und unnötigen Elterngesprächen gebeten hatte. Ob Ian die günstige Gelegenheit ausgenutzt hatte, wußte Vic nicht, und es hätte sie nicht gestört - solange Kit davon unbehelligt blieb.
      »Und was hat Miß Pope gesagt?«
      »Sie haben bei der Essenausgabe angestanden, und ich mußte noch mal umkehren, weil ich die Gabel vergessen hatte«, begann er umständlich. »Sie haben mich nicht gesehen. Ich wollte gar nicht lauschen.«
      »Das glaube ich dir«, pflichtete Vic ihm aufmunternd bei. Kit zog nur den Kopf zwischen die Schultern wie eine Schildkröte und starrte auf seine Joggingschuhe.
      »Haben sie über mich geredet?« fragte Vic, als er beharrlich schwieg.
      Kit nickte und trat nach einem Stein auf dem Weg, bevor es aus ihm heraussprudelte: »Miß Pope hat gesagt, daß du nur deine Arbeit im Kopf hast und Dad dich verlassen hat, weil er sich vernachlässigt fühlte. Sie meinte, du seist keine gute Ehefrau.«
      Miststück, dachte Vic, hielt die Luft an und zählte bis zehn. Miß Pope konnte sich auf ein paar deftige Worte gefaßt machen, doch sie wollte ihre Wut nicht an Kit auslassen. Aber woher bezog Elizabeth Pope eigentlich ihre häßlichen Informationen? War Bettgeflüster im Spiel?
      »Liebling«, sagte sie, als sie ihrer Stimme wieder traute. »Es war nicht richtig von Miß Pope, über Dinge zu sprechen, die sie nichts angehen. Das weißt du doch, oder?«
      Kit machte eine leichte Bewegung mit den Schultern, ließ den Kopf jedoch gesenkt.
      Vic seufzte. Wie sollte sie ihm erklären, was sie selbst nicht verstand? »Erstens kann keiner wissen, was zwischen zwei Menschen wirklich geschieht, außer den Betreffenden selbst natürlich. Und in einer Beziehung ist nichts so simpel, wie Miß Pope das glauben machen will.« Sie konnte Ian nicht die Schuld geben, so verführerisch es auch war. Sie wußte, der Versuch, Kit auf ihre Seite zu ziehen, konnte ihn noch mehr verletzen. »Manchmal entwickeln sich Menschen in unterschiedliche Richtungen, müssen unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen ausleben, und dann wachen sie eines Tages auf und entdecken, daß es keinen Grund mehr gibt, zusammenzubleiben.«
      »Bis auf mich«, schloß Kit messerscharf. »War ich als Grund nicht gut genug?«
      Das ist der Punkt, die Krux der ganzen Sache, dachte Vic, und es fiel ihr keine Ausrede für Ian ein. Auch die Wahrheit war nur ungenügend. Und die konnte sie Kit sowieso nicht sagen. »Gelegentlich entscheiden Erwachsene, daß sie noch nicht erwachsen sind, und sie tun Dinge ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer. Es mag falsch sein, aber es kommt vor, und wir müssen einfach das Beste daraus machen.« Sie konnte sich nicht überwinden, Kit damit zu trösten, daß Ian ihn liebhabe, denn sie war sich in diesem Punkt selbst nicht sicher. Außerdem wußte sie, daß Kit eine Antenne für falsche Töne hatte. Gerade bei ihr.
      Sie waren mittlerweile fast bis Cambridge marschiert. In der Ferne waren bereits die Torpfosten des Sportplatzes von Pembroke aufgetaucht. Das Tageslicht nahm schnell ab, denn die tiefhängende Wolkendecke verschluckte jeden Schimmer eines Sonnenuntergangs. Ein kalter Wind war aufgekommen. Sie legte den Arm leicht um Kits Schultern. »Komm, Schatz. Kehren wir um. Es wird kalt.«
      Sie drehten dem Wind den Rücken zu und machten sich auf den Heimweg. Vic warf

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