Deborahs Totenacker
Hof.
Viel war da nicht zu sehen. Ein winterliches, graues Trauma, unterstützt von zahlreichen Mülltonnen, die an den Wänden standen oder ihren Platz mitten auf dem Hof gefunden hatten. Graues Pflaster, auf dem noch faulige Blätter klebten, und Hausfassaden, die ebenso grau aussahen wie der Untergrund.
Von der Straße her war dieses Gebiet durch eine Einfahrt zu erreichen.
Aus ihr mußte auch der Wagen gekommen sein, der im Hof parkte und zuvor gewendet hatte, damit der Fahrer wieder vorwärts wegfahren konnte.
Suko blickte auf das viereckige Dach des Fahrzeugs. Es sah aus wie ein kleines, dunkles Sprungtuch. Das Dach gehörte zu einem Geländewagen, dessen Marke Suko von seiner Position nicht erkennen konnte.
Es war seltsam, aber er kam mit dem parkenden Fahrzeug nicht zurecht.
Stand es schon lange dort, oder war es erst vor kurzem abgestellt worden?
Einen Fahrer sah Suko nicht. Der mußte, wenn überhaupt, in eines der Häuser gegangen sein, was sehr leicht war, denn es gab zahlreiche Hintereingänge.
Etwa eine Minute blieb der Inspektor stehen und wandte sich dann ab, weil sich nichts getan hatte. Der Vorhang wehte wieder zu, und Suko schritt der Tür entgegen.
Es hatte sich etwas verändert. Zwischen Sarg und Tür stoppte er seine Schritte. Er überlegte.
Seltsam war ihm schon zumute, denn Suko wußte nicht, über was er da nachdachte. Er hatte einfach das Gefühl, eine Veränderung unbewußt miterlebt zu haben.
Nicht hier – oder…?
Das Unmögliche war schon oft möglich geworden, deshalb drehte er sich um und schaute zurück auf den Toten. Er lag im Sarg.
Still, bewegungslos. Wie es sich eben für eine Leiche gehörte. Sie war kein Zombie, in ihr steckte kein satanisches Leben, sie sah sogar beinahe normal aus.
Suko wandte sich wieder ab und öffnete die Tür. Er selbst bewegte sich so leise, als hätte er Furcht davor, jemand zu stören. Als er in den Flur schaute, war niemand da.
Suko betrat ihn.
In seinem Innern hatte sich eine Spannung ausgebreitet, die eigentlich nicht mehr normal war. So etwas kam sonst nur vor, wenn er dicht vor einer Entscheidung stand. Seine Sinne waren auf Alarm eingestellt, als er sich der Tür näherte.
Schritt für Schritt…
Er sah sie, nichts hatte sich verändert, die Schatten lagen dicht an dicht – und… Dann blieb er stehen.
Er kam sich vor, als hätte er einen Schlag in den Magen gekriegt, denn etwas hatte sich schon verändert.
***
Serrano war nach unten gegangen, und er hatte sich auf dem Weg dorthin nicht wohl gefühlt. Er kam sich vor, als würde er durch eine Fremde schreiten, und jeder Schritt, den er tat, kam ihm anders vor. Er schien mit den Sohlen auf jeder einzelnen Stufe kleben zu bleiben, und seine Handfläche glitt über das Geländer hinweg, ohne sich daran richtig festzuhalten.
So wie er mußte sich jemand vorkommen, der ein unheimliches Totenhaus durchwanderte, einer, der Angst verspürte und dessen Drüsen den Schweiß produzierten.
Er atmete auf, als er den unteren Hausflur erreichte. Bisher war ihm kein anderer Mieter begegnet. Das Haus selbst kam ihm ausgestorben vor, als hätten die hier lebenden Menschen keine Lust mehr gehabt, mit einer Leiche unter einem Dach zu logieren.
Vor ihm lag der Flur zur Haustür. Sie war geschlossen. Nur unten sickerte ein fahler Lichtsstreifen hindurch. Er konnte hier nicht bis in alle Ewigkeit warten und ging deshalb weiter.
Nach genau zwei Schritten blieb er stehen.
Ein Geräusch hinter ihm hatte ihn gestoppt. Es hatte sich angehört, als wäre irgendwo eine Tür geöffnet worden, die gleichzeitig über den Boden schrammte.
Noch blieb er stehen, zählte in Gedanken bis fünf, dann drehte er sich langsam um, wobei er gleichzeitig den rechten Arm anhob, um so schnell wie möglich seine Waffe ziehen zu können. Aus diesem Grunde hatte er auch den Mantel nicht geschlossen, aber er berührte den Revolver nicht, denn es war niemand da, der sich zeigte.
Er war und blieb allein…
Das Geräusch hatte er sich nicht eingebildet. Serrano dachte daran, daß er schon so manche Auseinandesetzung überstanden hatte. Er konnte sich auf seine Schnelligkeit und auf die Reflexe verlassen.
Merkwürdigerweise zeigte sich niemand. Es herrschte auch wieder Stille.
Luigis Hals war in den letzten Minuten trocken geworden. Über seinen Nacken rann ein Schauer, und er fühlte sich bedroht, obwohl niemand in der Nähe war. Es mochte an den Wänden liegen, die ihm vorkamen wie schwere Schatten oder Vorhänge, die
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