Debütantinnen - Roman
Frau den Schmerz zu ersparen.
Plötzlich lag es vor ihm.
Oder?
Er runzelte die Stirn, blinzelte. Dann wurde er von heißem Zorn erfüllt.
Es war der richtige Grabstein. Nur dass jemand vor ihm da gewesen war.
Der Strauß schwerer weißer Rosen stammte nicht von dem Stand an der Kapelle. Es war ein teurer, handgebundener Strauß, die üppigen elfenbeinfarbenen Blütenblätter waren von einem zarten, durchscheinenden Grün überhaucht, und sie dufteten. Ihr zarter Rosenduft stieg in der Hitze auf und erfüllte die Luft. In ihrer kleinen smaragdgrünen Vase war dies die Sorte von raffiniertem Arrangement, die man nur in einem Blumenladen im West End bekam. Die Rosen waren makellos, romantisch. Auch nicht die Art von Blumen, die ihre Eltern, Donald und Fay aus West Sussex, je gekauft hätten.
Er starrte darauf, und sie verschwammen vor seinen Augen; die Worte »Geliebte Frau« auf dem Grabstein verschmolzen miteinander und trennten sich wieder, als er blinzelte.
Es hatte ein vertraulicher Augenblick sein sollen. Eine vertrauliche Ehe.
Er überlegte, die Blumen platt zu treten, sie unter dem Absatz zu zerquetschen.
Dann entdeckte er die Karte. Sie hing an einer groben Schnur, die um den Strauß gewickelt war, und flatterte wie ein Schmetterling.
Er wollte sie nicht ansehen.
Doch er tat es trotzdem, bückte sich und drehte sie um.
Es war, als hätte er einen gewaltigen Tritt in die Rippen bekommen, der ihm sämtliche Luft aus der Lunge presste und ihn aufkeuchen ließ. Die Karte rutschte ihm aus den Fingern, tanzte weiter in der leichten Morgenbrise.
Als er sich wieder aufrichtete, hatte er das bizarre Gefühl, seinen Körper zu verlassen, als stünden seine Füße auf der weichen, grasbewachsenen Erde, doch er selbst flöge auf, schwebte direkt darüber. Von diesem Aussichtspunkt aus hatte er einen guten Blick auf sein Gesicht: der hohle, besiegte Ausdruck in seinen Augen, der schlaffe Kiefer − einst attraktive Züge, durch Bitterkeit und Verwirrung unvermittelt gealtert.
Er wandte sich ab und fand irgendwie den Weg zurück über den Kiesweg, der zu der langen Haupstraße führte, vorbei an der Parade von Läden und schließlich zum Bahnhof.
Doch die Worte auf der Karte hatten ihn getroffen, waren wie ein Messer unter die versiegelten Falten seines Herzens gedrungen.
»Für immer«, hatte darauf gestanden.
* * *
12 Birde Cage Walk
London
2. September 1936
Mein Liebes,
es war so schön, Zeit mit Dir zu verbringen – es ist einfach wunderbar, Dich zu sehen, und es ist heutzutage ein viel zu seltenes Ereignis. Ich werde die ganze Nacht aufbleiben und an die hinreißenden Tanzszenen aus Swing Time denken und daran, wie wir vor Begeisterung gekreischt und geklatscht haben, als Fred Astaire »The Way You Look Tonight« sang. Ich glaube, das ganze Kino hat über uns gelacht! Ach, meine Liebe, es war wie in alten Zeiten. Ich wünschte, Du kämst öfter nach London!
Ich verstehe, dass Du voller Hoffnung bist, jetzt, da Du so viel mit Nancy sprichst. Sie ist zuweilen ganz unwiderstehlich und so leidenschaftlich in ihren Ansichten. Ich war selbst oft genug wie gebannt von ihr. Aber ich muss sagen, dass ich mir Sorgen mache, dass Du ihre Anschauungen zu hoch einschätzt. Erstens weißt Du, dass Ihre Heiligkeit eindeutig zusammenbrechen wird, wenn sie Wind von Dir und dieser Christlichen Wissenschaft bekommt. Sie wird im Nu dafür sorgen, dass das ganze römisch-katholische Establishment vor Deiner Tür kampiert. Und zweitens gefällt es mir nicht, dass es klingt, als würdest Du Dir die Schuld geben für Dein Pech. Es kann nicht alles auf Dein Denken und Beten zurückzuführen sein − Gott weiß, niemand betet mehr als Du, und niemandem ist es ernster damit als Dir. Und Du bist eine gute Ehefrau, auch wenn Gott Dich nicht mit Kindern gesegnet hat. Meines Wissens hat Malcolm sich noch nie beschwert, und er hätte auch keinen Grund dazu. (Er würde es mit mir zu tun kriegen, sollte er es je wagen!) Ich ertrage es nicht, dass Du glaubst, mit Dir würde etwas nicht stimmen, meine Liebe. Denn ich bin mir sicher, Du bist genau so, wie Gott sich Dich gewünscht hat. Ich weiß, dass meine Meinung in dieser Angelegenheit nicht viel zählt, denn ich bin weder eine Säule der Tugend noch des Glaubens. Aber als eine, die Dich sehr gern hat, dränge ich Dich, Nancys Überzeugungen in einem anderen Licht zu betrachten − als Capricen und nicht als Gewissheiten. Sie ist schließlich Amerikanerin und daher viel
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