Debütantinnen - Roman
Lieblingsfarbe ist Schwarz. Ich mag Hunde, keine Katzen. Wenn ich ein Sternzeichen habe, dann ist es mir völlig egal, welches. Und ich glaube nicht an das Glück, ich glaube an Chuzpe.«
»Klar. Wo ist Ihre Verabredung?«, fragte Cate noch einmal.
»Sie ist nicht meine Verabredung. Möchten Sie mein Angebot hören?«
»Nein.« Sie löste sich von ihm. Die anderen Paare drehten und wiegten sich auf der Tanzfläche und spiegelten sich in den Spiegeln an den Wänden.
»Verstehe. Manche Menschen haben Angst vor dem Erfolg. Angst davor, wirklich lebendig zu sein.« Jetzt verhöhnte er sie.
»Ich habe vor gar nichts Angst.« Sie ging, verließ den überfüllten Ballsaal, ohne sich zu verabschieden. Sie wusste, wenn sie wirklich entkommen wollte, musste sie sich nur ein wenig zielstrebiger bewegen, ein bisschen schneller gehen.
Doch das tat sie nicht. Sie bewegte sich lässig, wohl wissend, dass er die Distanz zwischen ihnen verringerte, dass er sie jeden Augenblick einholte.
Als er neben ihr war, packte er ihren Arm.
»Was machen sie da?«, fragte sie lachend und ließ sich von ihm den Flur hinunterlotsen. »Ich muss nach Hause!«
Er führte sie ins Foyer und weiter Richtung Ausgang. »Tatsächlich?«
Sie wandte sich ihm zu, stützte sich zu schwer auf seinen Arm, lehnte sich mit dem ganzen Körper an ihn. »Was machen Sie?«, fragte sie noch einmal, doch diesmal sanfter.
»Ich entführe Sie.«
»Und wenn ich Sie nicht mag?«
»Wie kommen Sie auf die Idee, ich hätte Sie besonders gern?«
»Entführen Sie alle Frauen, die Sie kennenlernen?«
»Nein«, antwortete er ungerührt. »Niemals.«
Sie standen draußen auf dem Gehweg. Es war dunkel, die Luft kühl. Ein Portier blickte konzentriert in die Ferne, ohne sie zu beachten.
Er hob die Hand, und ein langer schwarzer Mercedes fuhr vor.
Sie lachte ungläubig. »Erzählen Sie mir jetzt nicht, das wäre Ihrer!«
»Doch.«
»Dann sind Sie so ein Typ, der einen eigenen Chauffeur hat?«
»Ja, so einer bin ich. Ein Besitzt-Chauffeur-Typ.« Er öffnete die Tür. »Steigen Sie ein.«
»Warum?«
»Damit ich Sie nach Hause bringen kann.«
Sie schaute zu ihm auf. Einen Augenblick lang erinnerte er sie an ihren Vater, an seinen Geruch, seine Angeberei, die Gefahr und den Sex, die er in Wellen verströmte, unterschiedslos, verderblich. Es war verwirrend, aber vertraut. Sie fühlte sich erfrischt, lebendig vor Verlangen und Spannung. »Ausgeschlossen.«
»Sicher doch«, sagte er leise, aber deutlich. »Aber nur mit mir.«
Wie lange hatte es gedauert von dem Augenblick, da sie in die Bar gegangen war, bis zu dem Augenblick, da sie in dem düsteren Innenraum des Wagens auf dem Rücksitz lag, ihn küsste und mit den Fingern durch sein dunkles Haar fuhr?
Eine Stunde?
Und wie lange, bis das grüne Seidenkleid zerknittert auf dem Boden lag und er in sie eindrang, als besäße er sie, als würde er sie immer besitzen?
Ein Bus fuhr an der Haltestelle vor, die Türen gingen knarrend auf.
»Kommen Sie?«, rief der Fahrer.
Er hatte sie geliebt, oder? Auf seine Art.
»Hey, Lady«, rief er lauter, »wollen Sie jetzt mit oder was?«
Cate schaute auf in das rote, verschwitzte Gesicht des Fahrers, die müden Gesichter der Fahrgäste, die sie verärgert anstarrten.
»Rein oder raus? Mitfahren oder dableiben?«, wollte er wissen.
Sie schüttelte den Kopf. Die Tür ging zu, und der Bus fuhr wieder los.
Jetzt saß sie hier, ohne Ziel, jagte Gespenstern hinterher.
Man brauchte nicht lange, um sein Leben zu vermasseln.
* * *
5 St. James’s Square
London
3. Juni 1936
Mein kleiner Vogel,
Anne und ich suchen uns zusammen eine Wohnung! Ich habe die, der man gehorchen muss, endlich überzeugt, dass Anne einen ganz wunderbaren, stabilisierenden Einfluss auf mich haben wird und dass es ausgezeichnet für meine Charakterbildung ist, mit ihr zusammen in der Buchhandlung zu arbeiten. Der alte Wächter ist, wie Du Dir vorstellen kannst, nur zu glücklich, mich loszuwerden. Wir werden also am Birdcage Walk in der entzückendsten kleinen Bude wohnen, die phantastische Ausblicke hat, aber nur sehr wenig Quadratmeter. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie aufgeregt ich bin! Es ist nur wenige Blocks vom Belmont entfernt und nur einen Katzensprung von Fortnum’s (springt man wie eine Katze, wenn man zu Fortnum’s will?), also wird es uns weder an guter Gesellschaft noch an Tee oder frischen Teekuchen mangeln.
Oh! Und vielen Dank für die Abzeichen von der Sunderland-Mädchenschule −
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