Debütantinnen - Roman
Bedauern. Paul hätte weggehen können, in der sicheren Gewissheit, dass er im Recht war. Doch in Wirklichkeit war es eine gemeinsame Last, die sie beide trugen. Er hatte es geschluckt. Und sie, genauer gesagt ihre Beziehung, hatte es verdaut.
In ihrem Herzen wuchs eine fast unerträgliche Zärtlichkeit, die sogar noch schmerzlicher war als ihre Trauer.
Er war nicht aus Konvention oder Mitleid oder Scham geblieben. Er hatte sich bewusst dafür entschieden, sie zu lieben.
Jack leckte sich die Finger ab. »Er hat auch gesagt: Wenn man dem anderen verzeiht, bleibt einem noch das Schwierigste von allem, nämlich sich selbst zu verzeihen. Er sagte: › Du bist wütend auf dich selbst, dafür, dass du verletzlich bist. ‹ Das hat mich wirklich getroffen. Ich wusste, dass er in dem Punkt recht hatte. Ich war nicht in allem mit ihm einer Meinung, aber in dem Punkt hatte er einfach recht.« Er bestellte sich noch ein Bier und leerte seine Flasche. »Er hatte vieles zu sagen zu dem Thema. Damals habe ich nicht alles verstanden. Ich weiß gar nicht, woher er das alles hatte.«
Rachel lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Ich schon.«
Jack sagte nichts. Ihm war klar, dass sie ein Gespräch führten, das tiefer ging und dass darin etwas mitschwang, in das er nicht eingeweiht war. Doch das störte ihn nicht.
Er hatte lange nicht mehr an diese Gespräche gedacht. Pauls Worte hatten jetzt eine neue Bedeutung für ihn. Er hatte tatsächlich versucht, die Untreue seiner Frau nicht einfach hinzunehmen, sondern sich durch Zorn und Kontrolle davon zu distanzieren. Doch die Mühe war vergeblich gewesen. Das Leben sickerte trotzdem durch. Er dachte an Cate, wie sie nackt am Fenster gestanden hatte, an die Sehnsucht und das Verlangen, das an ihm zerrte, die Hand nach ihr auszustrecken und sie zu berühren und noch einmal in diese gefährlichen, unberechenbaren Gewässer abzutauchen.
»Und glaubst du, er hat?«
»Was?« Jack schaute auf. »Tut mir leid … hat was?«
Rachel schien weit weg zu sein, seltsam zögerlich. Sie hielt den Blick nach draußen gerichtet. »Dem Menschen verziehen, von dem er sprach?«
»Ja.« Er nickte langsam; er ahnte, warum sie fragte. »Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Das Letzte, was er zu mir darüber sagte, war: › Dann weißt du, was Freiheit wirklich ist. Denn dann hast du dein Leben selbst gewählt, auch unter den schwierigsten Umständen.‹ Und das sagte er mit einem Lächeln, als wüsste er wirklich, wovon er redete.«
Die Anspannung in Rachel löste sich wie eine Faust, die sich öffnete. Sie lehnte sich entspannt an die Rückenlehne ihres Stuhls, die Schultern wurden weicher, und ihr verwirrter, geistesabwesender Blick gewann an Schärfe und Eindringlichkeit. Es war, als wäre etwas, das tagein und tagaus wie wild in ihr herumgewirbelt war, endlich zum Stillstand gekommen. Wieder richtete sie den Blick auf die spielenden Kinder am Strand, doch das ernste Stinrunzeln war jetzt verschwunden.
»Ich habe ihm selbstverständlich nicht geglaubt«, fuhr Jack fort, sprach jetzt mehr zu sich selbst als zu ihr. »Ich wollte nicht wissen, was das für eine Art von Liebe war. Ich wollte etwas Makelloses, eine Liebe, in der nichts schiefging, weil sie von Anfang an perfekt war.«
»Glaubst du, so etwas gibt es?«
»Nein, wirklich nicht«, fuhr er fort. »Im Grunde bin ich davon überzeugt, dass das überhaupt keine Liebe ist, sondern eher so etwas wie Narzissmus.«
»Wow. Was du nicht sagst!«
Er lächelte. »Stell dir mal vor!«
Irgendwie fühlte auch er sich leichter, freier. Mit ihr zusammen zu sein war entspannend. Und er hatte reden müssen. Er hatte vergessen, dass er ein guter Gesprächspartner sein konnte. Er gab dem Kellner ein Zeichen. »Willst du noch ein Bier?«
»Warum nicht?«
Die Luft wurde weicher, die sengende Hitze des Tages hatte sich gelegt. Die Familien packten ihre Eimer und Schaufeln, Strandlaken und Picknickkörbe zusammen und eilten erschöpft zum Abendessen nach Hause.
Wieder dachte Jack an Cate. War es ihm möglich, seine Enttäuschung loszulassen und zu akzeptieren, dass auch sie Fehler machen konnte und dass sie es trotzdem wert war, ihr einen Platz in seinem Leben anzubieten?
Sie saßen, tranken, blickten zum grenzenlosen Horizont.
»Glaubst du wirklich, sie mag mich?«, fragte er nach einer Weile.
Rachel kramte auf ihrem Teller herum, suchte ein Krebsbein, das noch nicht geplündert war. »Warum fragst du sie nicht selbst und findest es heraus?«
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