Decker & Lazarus 09 - Totengebet
es mir und meinem Team in deiner allumfassenden Liebe, dass wir wieder einmal schnell und sicher die weite Reise bewältigen, um die Kranken zu heilen und die Schwachen wieder aufzurichten.«
Beim Ausdruck »die Schwachen« zuckte Grace innerlich zusammen.
»Und nun einen Moment der Stille«, murmelte Sparks. »Sie dürfen jetzt Ihr ganz persönliches Gebet anfügen, Grace.«
Grace’ Gebet lautete: »Bitte lass mich schlafen und mach, wenn ich aufwache, dass ich diese beschissene Tortur hinter mir habe.«
Sparks hatte die Augen noch geschlossen. Grace Kopf fühlte sich bleiern an, ihr Gehirn so wattig, dass es drohte sich aufzulösen. Es gelang ihr, den Blick auf Sparks Gesicht zu fixieren, zu beobachten, wie sich seine Lider hoben. Frische Energie strahlte ihr aus seinen Augen entgegen.
Das gefiel Grace.
Sparks betrachtete die Patientin, ließ seine begnadeten Hände über ihre Lider gleiten und schloss diese sanft. »Schlafen Sie jetzt, Grace. Morgen sind Sie wie neu geboren.«
Grace fühlte, wie ihr Bewusstsein schwand. Ihre Gesundheit lag nicht mehr in ihren Händen.
Alles hing von Sparks ab.
Und von Gott.
In diesem Moment waren die beiden für sie eins.
1
Die Notbeleuchtung im Wohnzimmer und die Stille im Haus erinnerten Decker an die Tage nach der Scheidung … Tage, die jederzeit eine Neuauflage erfahren konnten, wenn er es nicht schaffte, früher nach Hause zu kommen. Im Klartext: Der Esstisch war abgeräumt … das Abendessen längst verzehrt … und die Tür zu Hannahs Kinderzimmer geschlossen, Rina nirgends zu sehen. Natürlich war sie eine Frau mit Geduld, aber alles hatte seine Grenzen. Decker fragte sich oft, wie weit man ihre Gummiwände eindrücken konnte, bevor sie explodierte. Bislang hatte schließlich noch niemand einen Crashtest für Ehefrauen entwickelt.
Er stellte seine Aktentasche auf den blanken Tisch, fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes, karottenrotes Haar. Ginger kam aus der Küche. Decker bückte sich und tätschelte den Kopf des Hundes.
»Hallo, mein Mädchen. Freust du dich, dass ich da bin?«
Gingers Schwanz wedelte heftig.
»Wie schön, dass sich wenigstens einer freut, dass ich noch lebe. Sehen wir mal nach, was der Rest der Belegschaft zum Abendessen hatte.«
Decker ging müde in die Küche, hängte das Jackett über einen Küchenstuhl. Rina hatte sein Abendessen auf einem Teller im Backofen warm gehalten. Er griff nach einem Topflappen und holte den Teller heraus. Sah irgendwie nach etwas Chinesischem aus. Nur waren die Erbsen mittlerweile verschrumpelt, der Broccoli lasch und khakibraun, und auf dem Reis hatte sich eine gelbliche Kruste gebildet. Nur die Nudeln sahen noch appetitlich aus.
Er stellte den Teller auf einen Untersatz und holte Besteck. Dann wusch er seine Hände, sagte ein kurzes Gebet, zögerte jedoch einen Moment, bevor er sich setzte. Unter der Zimmertür seiner Stiefsöhne war noch ein Lichtstreifen zu sehen. Das war zu erwarten gewesen. Die Teenager gingen mittlerweile häufig später ins Bett als er. Vielleicht sollte er den Jungen zuerst Guten Abend sagen.
Konnte ja nur fünf Minuten dauern.
Die Kinder waren in letzter Zeit ziemlich beschäftigt gewesen, hatten kaum Zeit für eine anständige Unterhaltung gehabt. Vielleicht waren sie sauer, dass er immer so spät kam. Aber wahrscheinlich war das alles nur typisches Teenagerverhalten. Seine erwachsene Tochter Cindy hatte während der Pubertät ebenfalls diese muffigen, maulfaulen Phasen gehabt. Mittlerweile machte sie ihren Doktor in Kriminologie im Osten. Eine bezaubernde junge Dame, die sich in seiner Gesellschaft sehr wohl fühlte. Wie schnell die Zeit verging …!
Er starrte auf sein verbrutzeltes Abendessen und sein Blick schweifte automatisch weiter zu Ginger, der Hündin. »Mach dir bloß keine Hoffnungen. Ich bin gleich zurück …«
Er klopfte an die Zimmertür seiner Söhne, und hörte Jake mit einem gereizten »Was ist denn?« antworten. Decker drehte den Türknauf. Die Tür war verschlossen.
»Würde mir mal jemand die Tür aufmachen?«
Schleifgeräusche. Die Rollen eines Schreibtischstuhls quietschten über den Boden. Das Schloss wurde laut entriegelt, aber die Tür blieb zu. Decker zögerte kurz, bevor er sie öffnete.
Beide Jungen saßen an ihren Schreibtischen vor einem Chaos aus Büchern und Heften. Ein mundfaules »Hallo« war alles, was über ihre Lippen kam. Decker erwiderte den Gruß betont laut und deutlich. Er sah seine Söhne aufmerksam an.
Sammy war im
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