Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Behörde ihre Augen und Ohren aufhalten sollte. Mehr musste sie dafür nicht wissen.«
Der Kriminalbeamte kam der Frage Garoches zuvor: »Herr Tucher wurde nicht wegen des Verstoßes gegen sein Malverbot in Gewahrsam genommen. Er hat sich an subversiven Aktivitäten beteiligt. Fritz Tucher hat einer Gruppe angehört, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Führer zu beseitigen. So etwas nennt man, glaube ich auch in Belgien, Hochverrat.«
Garoche wollte etwas erwidern, Malek winkte ab.
»Wir leben in einer Welt, von der sich so mancher im Ausland nicht vorstellen kann, dass sie existiert. Aber sie existiert, auch wenn es ihnen und mir nicht gefällt. Ich lebe mittendrin und ähnlich wie ihr Malerkollege Katuschke kann auch ich nicht aus dieser Welt heraus. Auch wenn ich es wollte.«
Die offene Art seines Gegenübers beindruckte Garoche. Der bestellte Wachbeamte trat in das Büro. Malek war um den Schreibtisch herumgegangen und half Garoche sich zu erheben.
»Leben Sie wohl, Herr Garoche. Ich bin mir sicher, dass man Sie in den nächsten Stunden entlassen wird. Ihr Freund ist ein guter und vor allem einflussreicher Rechtsanwalt. Auch so ein Vorteil, wenn man in unserer Welt lebt. Er wird dafür sorgen, dass man Sie nicht weiter behelligt. Was meine Morde anbelangt, werde ich dem Staatsanwalt einen Brief vorlegen, den ich zufällig in dem Haus in Pötzow gefunden habe. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie da schon wieder in Belgien sind oder in Venedig. Soll eine sehr schöne Stadt sein.«
Garoche stand schon im Türrahmen, da drehte er sich noch einmal um. »Wie kamen Sie auf mich? Ich meine, dass ich bei Tucher war. Woher kannte diese Nachbarin meinen Namen?«
»Sie kannte gar nicht Ihren Namen. Hier in den Akten steht nur eine ziemlich genaue Beschreibung des Besuchers. Als ich das gelesen hatte, war mir klar, das konnte nur der belgische Kunstmaler Gustave Garoche sein. Leben Sie wohl und schreiben Sie mir eine Ansichtskarte. Malek, Polizeirevier Berlin-Alexanderplatz, das genügt.«
Wieder allein in seiner Zelle, nach dem Gespräch mit dem Kriminalisten, war Garoche klar geworden, weshalb Fritz Tucher bei seinem Besuch so unruhig gewesen war und ihn so schnell verabschiedet hatte. Es ging gar nicht um das Malverbot und dass man ihn dafür hätte belangen können. Es ging um diese Widerstandsgruppe und der Sorge, entdeckt zu werden.
Und was es hieß, in einem deutschen Gefängnis zu sitzen, davon konnte sich Garoche jetzt selbst ein Bild machen.
Kapitel 22
Als sie am Kaiserdamm ankamen, trat zufällig Dr. Wandmann aus seiner Praxis und blieb auf dem Treppenabsatz zum Hochparterre stehen, wo Eduard und Gustave auf den Fahrstuhl warteten. Sichtlich schockiert durch das geschundene Gesicht und zudem irritiert durch die unvollständige Kleidung des Malers sagte er: »Aber Herr Garoche, Sie sehen ja fürchterlich aus! Wie konnte das passieren? Hatten Sie einen Unfall?«
Eduard, der seinen Freund stützte, war die Begegnung mit dem Zahnarzt unangenehm, und Gustave murmelte nur: »Ist nicht so schlimm, Herr Doktor, nur eine Kleinigkeit, ein Sturz.«
»Ein Sturz? Ich bitte Sie, Herr Garoche, das ist doch keine Kleinigkeit, soweit ich das hier im Treppenhaus beurteilen kann. Sie sollten in ein Krankenhaus, die Wunde muss unbedingt genäht werden.« Mit dieser Diagnose näherte sich der Mediziner und wollte sich sofort der Verletzung annehmen.
»Lassen Sie nur, Herr Dr. Wandmann, wir bekommen das schon hin«, wiegelte Eduard ab und wollte mit seinem Freund die Stufen zu ihrem Stockwerk hinauf.
»Aber nein, meine Herren, ich bitte Sie! Ich kann Sie so nicht gehen lassen, kommen Sie bitte in meine Praxis.« Schon hatte er seinen Haustürschlüssel gezogen und schloss die schwere Eichentür auf. »Kommen Sie, ich bin zwar eigentlich Zahnarzt, aber von Verletzungen dieser Art verstehe ich auch etwas. Ich war im Weltkrieg Wundarzt im Lazarett, müssen Sie wissen. Kommen Sie, kommen Sie! Alles Nötige habe ich in meinen Schränken.« Er zog die beiden Männer in die Räume seiner Praxis, ohne weitere Ausflüchte zu akzeptieren. Wenig später saß Garoche auf dem Behandlungsstuhl. Unwillkürlich fiel ihm sein Backenzahn ein und er dachte einen kurzen Moment daran, die Sache gleich miterledigen zu lassen. Doch nachdem der Doktor die Wunde versorgt und eine entzündungshemmende Salbe aufgetragen hatte, verspürte der Maler kein weiteres Bedürfnis, seine Tapferkeit unter Beweis zu stellen.
»Eigentlich sollte man
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