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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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sie aus seiner Tasche und winkte damit, dann ging er zur Hintertür. Hannah wandte ihre Aufmerksamkeit der Kaffeetasse zu, die ihre Hand wärmte, um einfach an etwas Alltägliches zu denken. Sie nippte an der dampfenden Brühe und stellte überrascht fest, daß er genau nach ihrem Geschmack war.
    »Ich hab mich dran erinnert, daß Sie Milch nehmen«, sagte der Professor stolz. »Wir saßen uns am Tisch gegenüber, bei dem Dinner der Handelskammer letztes Jahr.«
    »Und Sie haben sich erinnert, daß ich Milch nehme?« Hannah war gerührt.
    Er setzte sich auf die Kante eines anderen Tisches, die Hände in die Taschen einer schwarzen Daunenjacke gesteckt, die sich wie ein aufblasbarer Muskelanzug um ihn blähte. Sein Kopf ragte auf einem mageren Hals aus dem Kragen.
    »Ich habe ein Gedächtnis für Triviales«, sagte er. »Es gab noch keine Gelegenheit, Ihnen zu sagen, wie leid mir das mit Josh tut.«
    »Danke«, sie senkte die Augen. Was für ein seltsames Ritual, dieser Manierentanz des Beileids. Es klang so sinnlos, daß Leute sich von etwas betroffen zeigten, an dem sie keinen Anteil hatten; die Höflichkeit, ihnen dafür zu danken, erschien ihr hohl und leer. Das war ein weiterer Aspekt ihrer Rolle als Opfer, mit dem sie sich nicht abfinden konnte.
    Sie spürte den prüfenden Blick des Professors, der sie studierte – wie
er alles, was lebte und atmete und nicht an eine Steckdose angeschlossen werden konnte, studierte – so, als würde er Maschinen wesentlich rascher durchschauen.
    »Ich werde wohl nicht so gut damit fertig«, beichtete sie.
    »Wie glauben Sie denn, damit fertig werden zu sollen?«
    »Ich weiß es nicht. Besser. Anders.«
    Er legte den Kopf schief. Die Pose erinnerte an den Androiden Data aus Raumschiff Enterprise . Eine von Joshs Lieblingsfernsehserien. Diese Assoziation stach wie eine Nadel in ihr Herz. »Es ist seltsam«, sagte er, »daß die Menschen an einen Punkt gekommen sind, an dem sie fast das Gefühl haben, für alles was in ihrem Leben passiert, vorprogrammiert zu sein. Spontane Reaktion ist ein Naturgesetz, die Menschen können ihre Gemütsregungen genausowenig kontrollieren, wie sie die überraschenden Folgen daraus in der Hand haben. Und trotzdem versuchen sie es. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Hannah. Lassen Sie Ihre Reaktionen einfach zu.«
    Verzagtheit zeigte sich auf ihrer Miene, als sie noch einen Schluck Kaffee nahm. »Leichter gesagt als getan. Ich hab das Gefühl, ich spiele eine Rolle in einem Theaterstück, aber ohne Skript.«
    Der Professor kniff den Mund zusammen und brummte nachdenklich. Hannah stellte sich vor, wie sein Gehirn klickte und klackte wie ein Computer, der Informationen verarbeitete.
    »Ich sollte Ihnen danken, da ich gerade die Gelegenheit dazu habe«, sie schaute durch die Tür zu dem ehemaligen Ausstellungsraum, in dem Menschen, die sie nicht kannten, Monitore anstarrten und Handzettel in Umschläge stopften. »Wir sind wirklich dankbar für die Zeit und die Fähigkeiten, die Sie und Ihre Studenten einsetzen. Jeder gibt sich soviel Mühe zu helfen.«
    Ein Hauch von Rosa überzog sein bleiches Gesicht, als er abwinkte. »Es ist das mindeste, was wir tun können.«
    Die Hintertür ging auf, und Pater Tom inszenierte einen dramatischen Auftritt in einer Wolke windgepeitschter Auspuffgase, mit total beschlagener Brille. »Kommen Sie, Doktor, wenn wir uns beeilen, können wir die Reporter noch abhängen.«
    Er warf ihr einen langen, grauenhaften Schal zu, der aus Wollresten in den abscheulichsten Farben des Spektrums gestrickt war, und eine schwarze Baseballkappe mit THE GOD SQUAD in kühnen weißen Lettern aufgedruckt.
    »Was ist das?« fragte Hannah.

    Aus der Jackentasche zog er eine falsche Brille mit großer Plastiknase und Schnurrbart. Er klappte die Bügel auseinander, schob ihr die Brille aufs Gesicht und grinste: »Ihre Verkleidung.«

12 Uhr 04, – 7 Grad
    »Ich bin kein großartiger Koch, aber virtuos beim Aufräumen von Resten im Mikro.«
    »Es riecht wunderbar«, sagte Hannah pflichtschuldigst, aber ohne große Begeisterung, als er ihr einen Steingutteller mit Rindfleisch vorsetzte. Er sah aus wie ein Titelbild des Gourmetjournals – dicke Brocken Fleisch und Kartoffeln, grellorange Karottenscheiben, giftgrüne Erbsen und über allem eine dicke, üppige Sauce. Zu schade, daß sie keinen Appetit hatte.
    »Unterstehen Sie sich ja nicht, das wegzuschieben«, warnte Pater Tom und setzte sich auf den Stuhl gegenüber. »Sie werden es

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