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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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geworden. Albert Fletcher hatte eine Metamorphose vom Diakon zum Dämonen vollzogen, Paul Kirkwood vom Opfer zum Verdächtigen. Sie fragte sich, was sie wohl sagen würden zu der Mitteilung, daß sie zur Vernehmung des sanften Professor unterwegs war, der mit jugendlichen Straftätern arbeitete. Christopher Priest war eine Quelle des Stolzes für Deer Lake. Würden sie sich gegen ihn oder gegen sie wenden?
    Sie kannte die Antwort. Noch ein Grund, nicht hierzubleiben, sah sie ein, als sie an dem schönen alten Fontaine Hotel vorbeifuhr, vorbei am Gericht, links an der Ampel abbog und das City Center passierte. Es war nur eine Stadt wie eine Million anderer Städte. Wenn das Bureau sie gehen ließ, würde sie in ein besseres Klima ziehen und eine ebenso brauchbare Stadt finden. Ihr Vater könnte mitkommen oder verfaulen. Er könnte zu Mick nach L.A. ziehen und ihm persönlich Lobeshymnen singen; dann wäre sie endlich frei, ein neues Leben anzufangen. Allein.
    Christopher Priests Haus lag am Stone Quarry Trail, ein paar hundert Meter vom Kirkwood-Haus entfernt, aber nicht so leicht erreichbar. Besonders an einem Tag, an dem die Landstraßen rasch unter Decken
von neuem, nassem Schnee verschwanden. Megan navigierte mit der extremen Vorsicht des Stadtbewohners, ließ den Lumina im Schneckentempo da entlangrollen, wo sie die Mitte der Straße vermutete. Außer ihr war niemand unterwegs. Wälder drängten sich bis an die Bankette der Straßen, die kahlen Äste der Bäume waren fast miteinander verwachsen wie in einer riesigen Laube. Ab und zu markierte ein Briefkasten eine Einfahrt. Genau gesagt, zwei. In der anbrechenden Dämmerung waren die Häuser zusätzlich in dem dichten Schneetreiben versteckt, kauerten wie aufgeplusterte Waldkreaturen in der Deckung der Wälder.
    Die Straße hörte einfach auf. Ein gelb-schwarzes Sackgassenschild verkündete die vollendete Tatsache an einem Punkt, an dem die Straßenräumer aufgegeben und der Natur ihren Lauf gelassen hatten. Das Dickicht aus Bäumen und Büschen gehörte zu den hinteren Ausläufern des Quarry Hills Park, derselbe Park, der bis an Hannahs und Pauls Haus heranreichte. Der Park, in dem Joshs Freunde geforscht und gespielt hatten, mit keinerlei Ahnung davon, daß irgendeiner von ihnen je in Gefahr sein könnte.
    Ein schlichter schwarzer Briefkasten kennzeichnete Christopher Priests Einfahrt, ein Wegweiser in eine Straße, die schon länger keiner mehr gefahren war. Die Auffahrt war schmal und hoch mit frischem Schnee bedeckt. Priest konnte noch nicht aus St. Peter zurück sein. Falls Garrett Wright wußte, wovon er redete, würde Priest mindestens noch fünfundvierzig Minuten – bei diesem Wetter wahrscheinlich sogar länger – brauchen, was ihr genug Zeit ließ, sich umzuschauen.
    Da Megan der Fahrtüchtigkeit ihres Lumina mißtraute, ließ sie ihn am Ende des Stone Quarry Trail stehen und machte sich zu Fuß auf die Socken. Die Bäume schufen eine täuschende Ruhezone, in der der Wind nur unschuldig säuselte. Sie schluckten auch das wenige übriggebliebene Tageslicht, was ein seltsames Zwielicht schuf, ein graues Schattenreich rund um ein kleines dunkles Schloß.
    Das Haus stand auf einer Lichtung wie etwas aus einem der unheimlichen Märchen der Brüder Grimm. Ein viktorianisches Haus, dessen Wetterseite Schindeln verkleideten, grau wie Schlacke und Asche gestrichen, mit einem plumpen Türmchen an einer Ecke. Die Fenster waren dunkel und starrten sie blind durch den fallenden Schnee an. Am östlichen Ende des Hauses befand sich ein Doppelgarage, am südlichen ein Schuppen, beides passend zum Haus angepinselt. Sie
stampfte sich den Schnee von den Stiefeln und klopfte an die alte, mit Glasscheiben versehene Haustür. Wenn Priest nicht da war, sollte eigentlich keiner aufmachen. Laut der amtlichen Überprüfung war er unverheiratet, hatte keine Kinder oder Mitbewohner -, außer er hatte Josh in dem Turm eingesperrt. Keine Lichter gingen an. Keine Gesichter lugten durch die Vorhänge.
    Sie machte eine Runde entlang der Fenster im Parterre, spähte hinein und sah nichts Lebendiges, nur alte Möbel, Bücher und Computerausrüstungen, alles sehr ordentlich aufgeräumt, als würde keiner dort leben. Alle Türen waren verschlossen. Sie hätte aber ohnehin nicht gewagt, das Haus ohne Durchsuchungsbefehl oder einen verdammt zwingenden Grund zu betreten. Keineswegs hegte sie die Absicht, eine zukünftige Razzia zu gefährden, indem sie die Regeln verletzte. Sie ging an der

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