Deer Lake 02 - Engel der Schuld
gerade Alibis für seinen Mentor ausdachte. Keiner hatte ihn gesehen, seit Ellens Wagen verunstaltet worden war. Den Gerüchten zufolge hatte er sich in einem Hotel in den Twin Cities verschanzt, auf Kosten von Costellos Team, das Informationen über seine bevorstehende Zeugenaussage hatte durchsickern lassen. Aber es schien genausogut möglich, daß Childs sich irgendwo in einem Farmhaus versteckt hielt, Dustin Holloman bewachte und die Drecksarbeit für Wrights wahnwitzigen Plan erledigte, während Wright selbst zu Hause saß und den Unschuldigen spielte.
Jay steuerte seinen Truck hinaus auf die Straße, fuhr quer über die Reifenspur, die nach Norden führte. Etwas am Pack Rat hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Ein Widerschein im Fenster. Ein seltsames Leuchten, das aus dem Inneren kam. Ein schwaches Leuchten, wie der Strahl einer Taschenlampe.
Merkwürdige Zeit, um in einem Trödelladen nach Schnäppchen zu suchen.
Er bog um die Ecke und fuhr dann rückwärts die Gasse zurück, machte den Motor und die Scheinwerfer aus, als er hinter den Laden rollte. Die Sicherheitsbeleuchtung war aus, falls es je eine gegeben hatte, aber es fiel soviel Licht von der Straßenlaterne vorm Haus übers Dach, daß er einigermaßen sehen konnte. Eine bröckelnde Betontreppe mit einem Geländer aus gebogenem Rohr führte zur einzigen Hintertür. Eine Mülltonne stand auf einer Seite der Treppe. Vor den Stufen wartete ein dreckiger grauer Crown Victoria aus den späten Achtzigern. Er stand da mit laufendem Motor, eine Wolke von Abgasen kam aus dem Auspuff – der Wagen stand zur Flucht bereit, die jetzt durch den Cherokee blockiert war.
Wer zum Teufel raubte einen Secondhandladen aus? Was gab es da zu stehlen? In dem ganzen Geschäft gab es wahrscheinlich keinen einzigen Gegenstand, der mehr als zehn Dollar wert war, und Jay konnte sich nicht vorstellen, daß in der Kasse sehr viel Geld war. Vielleicht hatte der Laden einen Safe? Die Angestellten würden das wissen. Wie Todd Childs. Vielleicht hatte Childs auch etwas Wichtiges im Laden gelassen, und es war zu riskant für ihn, es bei Tageslicht zu holen.
Jay wählte die 911 auf seinem Handy und meldete einen Einbruch, dann stieg er aus dem Wagen, steckte die Schlüssel ein und drückte vorsichtig die Tür zu. Wertvolle Minuten würden verstreichen, bevor ein Streifenwagen hiersein konnte. Der Übeltäter würde nicht per Auto entkommen, aber wenn er es schaffte, das Gebäude zu verlassen, konnte er immer noch weglaufen. Wenn es Childs war und wenn Childs Wrights Komplize war, dann war das seine Chance, ihn festzunageln und möglicherweise den Fall zum Abschluß zu bringen.
Und denk blo ß daran, was das f ü r eine Publicity bringt, wenn du einen Verd ä chtigen f ä ngst, dachte er voller Sarkasmus. Das wäre Ellens erste Reaktion – nicht, daß er plötzlich einen Rest Edelmut in sich entdeckt und ihnen geholfen hatte, den bösen Buben zu fangen, sondern daß er sich nur selbst helfen wollte. Obwohl es ihm gleichgültig sein sollte, was sie dachte.
Er machte sich auf den Weg zu dem Gebäude, der Schnee quietschte unter seinen Füßen. Er hoffte, das Brummen des Motors würde es übertönen oder der mitternächtliche Besucher wäre zu sehr in seine Aufgabe vertieft, um es zu hören. Er hielt die Luft an und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen.
Die Tür sprang auf, als Jay gerade davor angelangt war, sie traf ihn mit voller Wucht, so daß er zurücktaumelte und aus dem Gleichgewicht geriet. Eine schwarzgekleidete Gestalt folgte, warf sich auf ihn, schwang etwas Kurzes, Schwarzes. Es traf Jay seitlich am Kopf und löste einen Kurzschluß aller Gedanken aus. Er fühlte, wie er rückwärts die Treppe hinunterfiel, mit wedelnden Armen, in seinem Kopf wirbelte ein Kaleidoskop von Far ben und explodierte. Er schlug schwer auf das zerfurchte Eis des Parkbereichs.
Verzweifelt versuchte er, sich zu orientieren, oben von unten zu unterscheiden. Eine Autotür wurde zugeschlagen und ein Motor heulte auf. Es gelang ihm, sich auf alle vieren aufzurichten, als die Scheinwerfer des Crown Victoria aufleuchteten und ihn blendeten. Die Reifen jaulten auf dem Eis, als der Wagen wie eine Rakete rückwärts losschoß. Das widerliche Krachen von Metall auf Metall verriet Jay, daß der Cherokee genausowenig verschont bleiben würde wie er selbst. Dann blieb keine Zeit mehr zum Denken, der Wagen schoß jetzt direkt auf ihn zu.
Er warf sich zur Seite, seine Beine rutschten weg, sein linker
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