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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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zu retten, Ellen?«
    H ä tte es denn einen Sinn, es zu versuchen? Sie fragte nicht, aus Angst vor seiner Antwort. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war ein wenig schutzlos, ein wenig erschrocken, als hätte er selbst Angst vor der Antwort. Der Blick berührte sie auf eine Art, die zuzulassen sie sich nicht leisten konnte. Nicht jetzt. Nicht, solange so viel auf ihren Schultern lastete. Und wenn der Prozeß einmal vorbei war, wäre er fort, Mission erfüllt, weiter zur nächsten Tragödie.
    »Wenn du gerettet werden willst, rede mit einem Priester«, sagte sie. »Ich bin nicht für dich verantwortlich, und ich bin nicht töricht genug zu glauben, daß ich es sein sollte.«
    »Nein, du machst dich für niemanden zum Narren.« Er wich von ihr zurück und wandte sich zu dem Kirschholzschränkchen, in dem sie ihre spärlichen Alkoholvorräte aufbewahrte. Er nahm sich einen kräftigen Scotch und kippte ihn in einem Zug hinunter. »Und ich lasse mich nicht als Strohmann benutzen. Ich bin aus persönlichen Gründen hergekommen. Ich bin hergekommen, um Antworten zu suchen.«
    Sie hatte das deutliche Gefühl, daß die Fragen wenig mit Josh Kirkwood oder Garrett Wright zu tun hatten. Daß sie eher persönlicher als beruflicher Art waren. »Und, findest du sie?«
    Er lächelte traurig, während er den Verschluß wieder auf die Glenlivet-Flasche schraubte. »Nein. Die Fragen werden nur schwerer. Ich mache mich lächerlich.«
    Sie folgte ihm zur Tür, kämpfte mit dem Bedürfnis, nach der Wahrheit zu fragen, und der Weisheit, es einfach gut sein zu lassen. Am Ende sagte sie nichts, und er schien besser als sie zu wissen, warum.
    »Du hast recht. Halt dich auf dem geraden Weg, Counselor«, sagte er. »Damit fährst du besser. Ich bin für niemanden gut. Das ist eine bekannte Tatsache.«
    Er beugte sich zu ihr hinab und gab ihr einen Gutenachtkuß, einen zärtlichen Kuß, der nach Sehnsucht und Scotch schmeckte, und ging hinaus in die Nacht.
    Die Straßen von Deer Lake lagen völlig verlassen da. Selbst streunende Hunde waren nicht so dumm, mitten in der Nacht herumzustreifen, wenn die Temperatur auf minus zwanzig Grad fiel und der Windchillfaktor die Luft doppelt so kalt erscheinen ließ. Eine Nacht für Narren und Cops. Die Streifen waren auf den Straßen, um die Idioten zu retten, die in Straßengräben gefahren waren. Die Kriminalisten waren unterwegs, um neue Indizien in diesem Fall zu suchen, der ständig Überraschungen brachte.
    Jay saß mit laufendem Motor an der Ecke des Lakeshore Drive und überlegte, ob er ins Kirkwood-Haus zurückkehren sollte. Aber die Reporter waren darüber hergefallen, und er wußte, daß jede Chance, die er auf einen frischen Einblick gehabt hatte, verloren war. Und er stellte fest, daß er gar nicht begierig darauf war, zumindest nicht jetzt. Der Adrenalinstoß, den ihm der Anruf für Steiger im Blue Goose gebracht hatte, war aufgebraucht. Jetzt fühlte er nur Rastlosigkeit und eine Leere, die ihn daran hinderte, in das Haus an der Ryan's Bay zu gehen.
    Er entfernte sich vom See, bog rechts ab und fuhr in Richtung Dinkytown, wo die Geschäfte verlassen aussahen, die Gebäude verrottet. Ein Nachtverkäufer starrte aus dem Fenster eines grell beleuchteten Kramladens, eine Oase, die keinen lockte.
    Es war noch Licht in wenigen Studentenzimmern auf dem Harris-Campus, aber die Vorlesungsgebäude waren dunkel. Selbst mitten in der Nacht vermittelte Harris College einen Eindruck von Tradition und Geld. Die Gebäude waren solide, massiv, in einer Ära errichtet, in der ein College noch mehr bedeutet hatte als ein Sprungbrett zum großen Geld. Das Grundstück war parkähnlich und hatte einen schönen Bestand an Laub- und Nadelbäumen.
    Garrett Wright behauptete, er hätte an dem Abend, an dem Josh entführt wurde, in Cray Hill gearbeitet, ebenso Christopher Priest. Falls sie Partner bei diesem Wahnsinn waren, warum hatten sie sich dann nicht gegenseitig Alibis gegeben? Jay nahm an, daß es zum Spiel gehören könnte. Ein kleines Quentchen Wahrheit, das Priest geholfen hatte, den Lügendetektor auszutricksen.
    Dieser Fall wird immer seltsamer, dachte er, als er den Campus über die hintere Einfahrt verließ und die Old Cedar Road langsam in Richtung Süden entlangfuhr. Die Geheimnisse und Sünden, die unter der Oberfläche scheinbar gewöhnlicher Leben lauerten, hatten ihn immer schon fasziniert. Dinge, die niemand vermutete, spielten sich hinter der Fassade der Normalität ab, in Gegenden wie Deer Lake, die

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