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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Cameron vor.
    Sie kicherte leise, hob dann ernüchtert den Kopf und sah in die wachen Augen ihres jungen Assistenten.
    »Ich habe ein schlechtes Gefühl, Cameron«, gestand sie. »Am Tag vor der Anhörung inszenieren die diesen Anruf bei Dustin Hollomans Mutter. Was, glauben Sie, haben die als Hauptattraktion im Hut?«
    »Ich weiß es nicht«, gab er leise zu.
    Ellen sah aus dem Fenster auf das bedrohliche Grau des Himmels und fühlte, wie eine Vorahnung sich bleiern in der Luft ausbreitete. »Ich will es auch nicht wissen.«
    Die alten Gewohnheiten kamen wieder wie Gespenster, ungerufen, unwillkommen, und brachten das unangenehme Gefühl mit, das alles schon einmal erlebt zu haben. In ihren besten Zeiten war der Tag vor großen Auftritten bei Gericht jedesmal der Tag der Rituale, ja sogar des Aberglaubens gewesen. Ellen war immer zu aufgedreht gewesen, um sich zu entspannen, und sie hatte so große Angst gehabt, sie könnte bei der Vorbereitung des Prozesses etwas übersehen haben, daß sie den Abend stets in ihrem Büro verbrachte, um das Beweismaterial wieder und wieder durchzugehen, ebenso die Fragen, die sie beantwortet haben wollte und die Strategie, mit der sie ihren Gegner zu schlagen gedachte.
    Seit sie vor zwei Jahren nach Deer Lake gekommen war, hatte es keine solchen Nächte mehr gegeben. Bis heute. Normalerweise dauerte eine Anhörung in Park County zwanzig Minuten, und man setzte ein halbes Dutzend pro Vormittag an – von denen die meisten nicht stattfanden, weil der Angeklagte sich vorher schuldig bekannte. Garrett Wrights Verhandlung würde da ein ganz anderer Zirkus werden. Wegen der Anklagepunkte. Wegen des Angeklagten. Wegen Costello. Das würde ein richtiger kleiner Prozeß werden, mit allem, was dazugehörte.
    Um halb neun scheuchte sie Cameron zur Tür hinaus, weigerte sich aber, mit ihm zu gehen. Sie brauchte und haßte es zugleich, zu ihrem alten Rhythmus zurückzukehren. Sie erkannte und verabscheute die nervöse Rastlosigkeit, die sie wie Elektrizität durchströmte.
    Die Unruhe trieb sie vom Stuhl hoch und ließ sie am Konferenztisch auf und ab laufen, auf dem sie jedes Dokument, jede Notiz, über die sie verfügten, ausgebreitet hatte. Die Heizung im Gebäude war wieder fast bis zum Gefrierpunkt heruntergedreht; der Bezirksbeauftragte war nicht bereit, das Budget zu strapazieren, damit es eine Staatsanwältin behaglicher hatte. Sie lief im Mantel auf und ab, ein wenig erstaunt darüber, daß sie ihren Atem nicht sehen konnte.
    Sie hatten genug Material. Megans und Mitchs Aussagen allein sollten genügen, um den Prozeß gegen Wright eröffnen zu können. Zusätzlich würden sie die Aussage des Kriminalisten vom BCA über die vorläufigen Untersuchungsergebnisse der Skimaske haben, an der man Wrights Haare gefunden hatte, und des Lakens, in das Wright Megan gewickelt hatte, des Lakens, an dem man Strähnen von Joshs Haar entdeckt hatte und weitere Haare von Wright und Blutflecken, die zur Blutgruppe von Josh Kirkwood paßten. Es sollte eigentlich ein Spaziergang für die Anklage sein, aber die Zweifel ließen sie nicht los, unterwanderten ihr Selbstvertrauen, würgten sie. Alte, vertraute Gefühle.
    Genau wie Mitch vorausgesagt hatte, war Wilhelm noch nicht aus Rochester zurückgekehrt. Der Anruf bei Dustin Hollomans Mutter war bis zu einer Telefonzelle in einem Einkaufszentrum zurückverfolgt worden, wo es sicher eine Reihe von Zeugen gegeben hatte. Das BCA und die einheimische Polizei hatten Stunden mit den Nachforschungen in Geschäften und Korridoren zugebracht, Dustins Foto gezeigt, Leute befragt, ob sie einen Verdächtigen an den Telefonen gesehen hatten, ob sie beobachtet hatten, daß jemand einen kleinen Kassettenrecorder beim Telefonieren verwendet hatte.
    Es wäre Irrsinn von den Kidnappern gewesen, den kleinen Jungen an diesen öffentlichen Ort zu zerren. Jede Zeitung und jede Fernsehstation im Staat brachte seit dem Abend seines Verschwindens in regelmäßigen Abständen sein Bild. Mit größ ter Wahrscheinlichkeit hatte der Kidnapper Dustins Botschaft aufgenommen und das Band übers Telefon abgespielt.
    Trotzdem sehr riskant, dachte Ellen, als sie ein weiteres Mal langsam den Tisch umkreiste. Unverfroren, dreist. Er fühlte sich überlegen, unbesiegbar. Er war ein Risiko eingegangen, um das BCA zu blockieren. Oder er war auf die öffentliche Anerkennung seines Genies erpicht. Doch ein Zeuge würde genügen, ein gelangweilter Verkäufer, ein Mann, der auf einer Bank saß und auf

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