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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Gehirn wird die Gesichter hinter den Masken
wahrnehmen, die glücklich, wütend oder ängstlich dreinblicken und eine Reaktion
bei ihm provozieren.
    Nach jeder Serie fragt Dr. Lane ihn, was er gesehen
hat, und fordert ihn auf, den Gesichtern Emotionen zuzuschreiben. Die
männlichen Gesichter sind ernster als die weiblichen, erwidert er. Seine
Antworten fallen nach jeder Reihe mehr oder weniger gleich aus, was im Moment
noch nicht viel zu sagen hat. Nichts, was in diesen Räumen vor sich geht, hat
für sich allein genommen eine Bedeutung, bevor nicht die Tausende der durch
Magnetresonanz-Computertomographie erzeugten Abbildungen des Nervensystems
analysiert sind. Dann erst können die Wissenschaftler sehen, welche Bereiche
des Patientengehirns während des Tests am aktivsten waren. Ziel ist,
festzustellen, ob das Gehirn des Probanden anders funktioniert als bei einem
angeblich normalen Menschen. Das zufällige Vorhandensein einer Zyste hat jedoch
nicht das Geringste mit Basils Mordlust zu tun.
    „Fällt Ihnen auf den ersten Blick etwas auf?“, fragt
Benton Dr. Lane. „Übrigens muss ich mich wieder mal bei Ihnen bedanken, Susan.
Sie sind mir wirklich eine große Hilfe.“
    Sie legen die Untersuchung von Sträflingen möglichst
auf den Abend oder das Wochenende, weil sie dann mehr oder weniger unter sich
sind.
    „Nach den Lokalisierern zu urteilen, scheint alles
in Ordnung zu sein. Ich kann keine starken Abweichungen erkennen. Bis auf sein
ständiges Geplapper, seinen übertriebenen Redefluss. Ist bei ihm je eine
bipolare Störung diagnostiziert worden?“
    „Die Untersuchungsergebnisse und seine Vorgeschichte
würden eigentlich darauf hinweisen, aber nein. Keine Diagnose. Er hat noch nie
Medikamente wegen einer psychischen Erkrankung eingenommen. Erst seit einem
Jahr im Gefängnis. Ein Traumproband.“
    „Tja, Ihr Traumproband hat sich beim Ignorieren
störender Reize nicht sehr gut geschlagen und beim Interferenz-Test eine Menge
Fehler gemacht. Ich tippe auf Konzentrationsschwierigkeiten, was bei einer
bipolaren Störung nicht außergewöhnlich wäre. Aber bald werden wir mehr
wissen.“
    Wieder drückt sie auf den Knopf. „Mr. Jenrette“,
sagt sie. „Wir sind fertig. Sie haben das gut gemacht. Dr. Wesley kommt jetzt
rein und holt Sie ab. Ich möchte, dass Sie sich ganz langsam aufsetzen, okay?
Ganz langsam, damit Ihnen nicht schwindelig wird. In Ordnung?“
    „War das alles? Nur diese dämlichen Tests? Zeigen
Sie mir die Bilder!“
    Dr. Lane wirft Benton einen Blick zu und lässt den
Knopf los.
    „Sie haben gesagt, Sie würden sich mein Gehirn
anschauen, während ich mir die Bilder ansehe.“
    „Autopsiefotos seiner Opfer“, erklärt Benton Dr.
Lane.
    „Sie haben mir Bilder versprochen! Und Sie haben
versprochen, dass ich meine Post kriege!“
    „Viel Spaß“, meint Dr. Lane zu Benton. „Er gehört
Ihnen.“
     
    Das Schrotgewehr ist schwer und unhandlich, weswegen
Scarpetta Mühe hat, es auf ihre Brust zu richten, während sie auf dem Sofa
liegt, und in dieser Haltung mit dem linken Zeh den Abzug zu betätigen.
    Sie lässt die Waffe sinken und stellt sich vor, wie
man diese Verrenkung nach einer Operation am Handgelenk versucht. Das Gewehr
wiegt etwa vier Kilo und fängt in ihrer Hand zu zittern an, wenn sie es am
fünfzig Zentimeter langen Lauf festhält. Sie stellt die Füße auf den Boden und
zieht den rechten Turnschuh und die Socke aus. Obwohl eigentlich ihr linker Fuß
der dominante ist, wird sie es mit dem rechten ausprobieren müssen, und sie
fragt sich, welchen Fuß Johnny Swift wohl bevorzugt hat - den rechten oder den
linken? Das wäre ein Unterschied, wenn auch nicht unbedingt ein wichtiger,
insbesondere dann nicht, wenn er an Depressionen litt und fest entschlossen
war, sich umzubringen. Allerdings ist sie sich da nicht sicher. Wie bei vielem
in diesem Fall.
    Sie denkt an Marino, und je länger sie das tut,
desto zorniger wird sie. Er hat kein Recht, auf diese Weise mit ihr umzuspringen
und sie so zu missachten wie damals bei ihrer ersten Begegnung, und die liegt
schon viele Jahre zurück. Der Duft der selbstgemachten Pizzasauce schwebt
durchs Wohnzimmer und erfüllt das ganze Haus. Vor Wut bekommt Scarpetta Herzklopfen,
und es schnürt ihr die Brust zu. Sie legt sich auf die linke Seite, stützt den
Gewehrkolben auf die Sofalehne, setzt sich den Lauf mitten auf die Brust und
drückt mit dem rechten großen Zeh ab.
     
    4
     
    Basil Jenrette wird ihm nichts tun.
    Ungefesselt sitzt er

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