Deichgrab
vor seinem Kollegium hier gehalten. Deshalb ist dem Arzt in der Notaufnahme auch sofort der Verdacht mit der Vergiftung gekommen. Wenn die das nicht erkannt hätten, wäre ich vielleicht schon tot.«
»Na, nun mal man nicht den Teufel an die Wand!«
»Doch, doch, bis zum Herzstillstand hätte das gehen können!«
Er stand vom Bett auf.
»Ihr entschuldigt mich kurz?«
Tom blickte Marlene an.
»Rattengift also. Aber wo kann das nur drin gewesen sein? Meinst du, Elke?«
»Ach Quatsch, meinst du etwa, erst vergiftet sie ihn, und dann steht sie aufgelöst vor deiner Tür und fragt, was mit ihm ist? Das glaub ich nicht. So abgebrüht ist die nun auch nicht!«
»Na, denk nur an Klaus Nissen!«
»Ja, aber das war ja wohl ’ne ganz andere Nummer. Ich meine, zwischen Betrügen und Ermorden liegen ja wohl Welten!«
»Mag sein, aber wie hast du heute Morgen so schön gesagt? Wem sieht man so etwas schon an?«
Sie lächelte.
»Du schaust wahrscheinlich zu viele Krimis!«
»Ich? Ich habe gar kein Fernsehen!«
Auf dem Rückweg holten sie ihre Sachen aus dem Hotel.
»Warum sollst du ein teures Hotel bezahlen?«, hatte er sie gefragt. »Du kannst doch auch bei mir wohnen.«
Sein schlechtes Gewissen hatte er vollständig ausgeblendet.
Er hörte das Telefon läuten, ließ die Reisetasche fallen, drehte eilig den Schlüssel im Schloss herum und stieß die Tür auf. Beim vierten Klingeln nahm er ab. Er hörte ein Rascheln, dann eine keuchende Männerstimme.
»Ihr Onkel ist unschuldig. Fragen Sie Broder Petersen. Sagen Sie nur: Uelvesbüller Deich.«
Es wurde aufgelegt. Er starrte auf den Telefonhörer. Marlene stand mit ihrer Reisetasche im Türrahmen. Als sie sein blasses Gesicht sah, fragte sie:
»Was ist los? Wer war das?«
Er schüttelte nur seinen Kopf und legte langsam den Hörer zurück auf die Gabel. Ratlos blickte er sie an.
»Ich weiß es nicht.«
49
Frank saß am Sekretär seines Vaters.
Er hatte sämtliche Ordner und Unterlagen durchwühlt, aber nichts gefunden. Im Grunde genommen wusste er auch gar nicht, wonach er suchen sollte. Was hatte Klaus Nissen damit gemeint, sein Vater sei an allem schuld? Woran war er schuld? Und was hatte Klaus Nissen damit zu tun?
Er suchte aus dem kleinen schwarzen Telefonbuch seines Vaters die Nummer von Klaus Nissen und wählte. Nach dem dritten Klingeln wurde abgehoben. Die Tochter, Marita, meldete sich.
»Hallo hier ist Frank Petersen. Ich möchte gerne mit Klaus sprechen.«
»Ach, hallo Frank!«
Sie kannten sich aus der Schule. Viel Kontakt hatten sie zwar nicht miteinander gehabt, dennoch hatten sie sich immer gut verstanden.
»Tut mir leid, aber mein Vater ist momentan nicht da.«
»Wann kommt er denn wieder?«
»Kann ich dir leider nicht sagen. Mein Vater ist in den letzten Tagen ständig unterwegs. Er sagt mir nicht, wohin er fährt oder wann er wiederkommt. Das kenne ich gar nicht von ihm.«
»Ich habe ihn gestern im Krankenhaus getroffen.«
»Im Krankenhaus? Was hat er denn da gemacht?«
»Mein Vater liegt dort auf der Intensivstation.«
»Oh, davon hat er gar nichts erzählt. Vielleicht ist er deswegen so durch den Wind.«
»Mag sein. Aber er hat gestern auch so merkwürdige Sachen erzählt. Von wegen, mein Vater müsste zugeben, dass er an allem schuld sei. Hast du eine Ahnung, was er damit gemeint haben könnte?«
»Nein, wie gesagt, er ist in den letzten Tagen schon so komisch. Erzählt kaum etwas. Ich fange bereits an, mir Sorgen zu machen.«
»Das solltest du auch. Gestern wirkte er sehr verwirrt auf mich.«
»Hm.«
Sie überlegte kurz.
»Wenn er nach Hause kommt, werde ich mit ihm sprechen. Ich ruf dich an.«
Sie legte auf.
Er ging ins Bad und duschte ausgiebig. Als er sich gerade rasierte, klingelte das Telefon.
›Das ging aber schnell‹, dachte er und wischte sich rasch den Rasierschaum aus dem Gesicht.
Es war allerdings nicht, wie er erwartet hatte, Marita, sondern das Krankenhaus.
»Herr Petersen, bitte kommen sie möglichst schnell ins Krankenhaus zu Ihrem Vater. Sein Zustand hat sich drastisch verschlechtert. Wir wissen nicht, wie lange ...«
Der Telefonhörer fiel scheppernd auf die Arbeitsplatte des Sekretärs. Für einen Augenblick wurde es schwarz vor seinen Augen. Er suchte Halt an der Lehne des Schreibtischstuhles.
Als er die Worte realisiert hatte, rannte er in den Flur, griff nach den Autoschlüsseln und lief zu seinem Wagen.
Tom und Marlene saßen in der Küche. Sie kochte einen Tee, während er wie
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