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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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versteinert auf der Eckbank saß.
    »Was meinst du denn, wer das am Telefon gewesen sein könnte?«
    Sie stellte eine Tasse auf den Tisch und goss den Tee ein.
    »Keine Ahnung, ich kenne die Stimme nicht. Habe ich noch nie gehört.«
    »Und was genau hat er noch mal gesagt?«
    Er wiederholte die Worte.
    »Wir waren doch neulich am Uelvesbüller Deich. Was soll es denn damit auf sich haben? Ich meine, wohnt da vielleicht jemand, den dein Onkel gekannt hat oder gibt es da etwas Besonderes?«
    Er zuckte mit den Schultern, griff nach seiner Tasse.
    Er wusste nicht, wer der Anrufer gewesen war. Eigentlich hätte er vor Freude jubeln müssen. Auch wenn der Anrufer anonym geblieben war, hatte er doch seine Vermutung über die Unschuld seines Onkels bestätigt. Endlich hatte sich jemand getraut den Mund aufzumachen. Auch wenn er seinen Namen nicht verraten hatte, so empfand er den Anruf als wesentlichen Fortschritt. Zugleich hatte der Anrufer aber auch neue Fragen aufgeworfen. Fragen, auf die er momentan keine Antwort bekommen konnte.
    Broder Petersen lag auf der Intensivstation. Niemand durfte zu ihm, nicht einmal sein eigener Sohn. Wie sollte er ihn da nach dem Ülvesbüller Deich fragen? Obwohl die Wahrheit zum Greifen nahe schien, hatte er das Gefühl, die Distanz dazwischen niemals überwinden zu können.
    Sein Blick fiel auf die Pralinenschachtel auf dem Küchenschrank.
    »Sag mal, hältst du es für möglich, dass die Pralinen vergiftet waren?«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Hattest du nicht gesagt, die Pralinen wären noch von deinem Onkel? Wieso sollte er denn vergiftete Pralinen im Schrank gehabt haben?«
    Er sprang wie vom Blitz getroffen auf, griff nach der Pralinenschachtel und betrachtete sie eine Weile schweigend. Sie beobachtete ihn und fragte sich, was in seinem Kopf vor sich ging, bis er plötzlich sagte:
    »Weil er gar nicht gewusst hat, dass die Pralinen vergiftet waren!«

     

50
    Als Lorentz eingeschlafen war, blieb Frieda noch eine Weile an seinem Bett sitzen.
    Sie war traurig. Auch heute hatte er sie gar nicht wahrgenommen, hatte nur teilnahmslos in seinem Bett gelegen und zur Decke gestarrt. Sie hatte ihm aus der Zeitung vorgelesen bis er eingeschlafen war.
    Müde betrachtete sie sein blasses Gesicht. Sein Atem ging gleichmäßig. Sie streichelte leicht seine Hand, stand auf und beugte sich über sein Gesicht.
    »Bis bald.«
    Auf Zehenspitzen verließ sie das Zimmer.
    Draußen schien die Sonne. Ihr war trotzdem kalt. Sie zog ihren Mantel vorne fest zusammen und band sich ihr Halstuch um.
    Sie ging nicht sofort nach Hause, sondern spazierte durch die Siedlung hinunter zur Dorfstraße. Ihre Hüfte schmerzte, aber sie nahm den stechenden Schmerz kaum war. Mühsam schritt sie vorwärts, stützte sich auf ihren Gehstock.
    Immer weiter quälte sie sich durch das Dorf, betrachtete dabei die Häuser und Vorgärten, die ihr alle so vertraut erschienen. Ab und zu sah sie jemanden im Garten arbeiten, hin und wieder fuhr ein Auto vorbei . Die Leute grüßten freundlich, sie grüßte zurück.
    Nach über einer Stunde hatte sie endlich das Haus von Hanna und Fritz erreicht. Sie war schweißgebadet von der Anstrengung, die der weite Weg ihr bereitet hatte.
    Mit letzter Kraft stieg sie die Stufen zur Haustür hinauf, drückte den messingfarbenen Klingelknopf.
    Hanna war überrascht, als sie Frieda vor der Tür stehen sah.
    »Komm doch rein. Du bist doch nicht etwa zu Fuß?«
    Sie nickte kraftlos.
    In der Küche ließ sie sich auf einen der Stühle fallen, holte tief Luft.
    »Na, dann mach ich uns erstmal einen Kaffee. Kuchen ist auch noch da. Möchtest du?«
    Hanna blickte leicht besorgt.
    »Gerne.«
    Sie deckte den Tisch und holte aus der Vorratskammer eine Platte mit Bienenstich.
    »Greif nur zu. Es ist noch reichlich da.«
    Frieda griff gierig nach einem Stück Kuchen. Sie hatte heute noch nichts gegessen und ihr Magen knurrte.
    Nachdem sie zwei Stücke gegessen hatte, verriet sie den Grund ihres Besuches.
    »Lorentz wird nächste Woche in die Spezialklinik nach Hamburg verlegt.«
    »So?«
    Hanna kannte die Problematik mit dem Pflegeheim im Dorf. Auf Alzheimerkranke war man dort nicht eingerichtet. Schon seit längerem hatte sie versucht, Frieda davon zu überzeugen, es wäre besser, wenn Lorentz eine Spezialpflege bekäme. Doch die Freundin hatte nichts davon hören wollen. Deshalb überraschte es sie, von der Verlegung zu hören.
    »Ich habe dir ja angeboten, Fritz kann dich gerne auch mal fahren. Das ist

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