Dein Auftritt Prinzessin
sie ja grundsätzlich unter den Tisch fallen), da dachte ich noch, alles würde okay laufen. Na ja, alles nicht. Ich wusste ja, dass ich nach dem Ball zu meiner besten Freundin muss, wo - vielleicht / möglicherweise / sehr wahrscheinlich - ihr Bruder mit mir Schluss macht. Nein, ich meinte, auf dem Ball.
Aber dann säuselte Grandmère: »Ach ja, und Amelias Schatz kennst du ja bereits - Prinz Pierre René Grimaldi Alberto.«
Äh, Schatz? AMELIAS SCHATZ???? René und ich starrten uns entgeistert an. Erst in diesem Moment bemerkte ich das Mädchen neben der Contessa. Wohl ihre eigene Enkelin,
die vom Internat geflogen war. Sie sah farblos und deprimiert aus, obwohl sie genau so ein schickes, enges, schwarzes Kleid anhatte, wie ich es gern später mal auf meinem Abschlussball tragen möchte - falls ich je einen Ballpartner finde. Aber ihr war anzusehen, dass sie sich darin nicht wohl fühlte.
Ich lief so knallrot an, dass ich wahrscheinlich weniger Ähnlichkeit mit einem Schneeglöckchen als mit einer Rhabarberstange hatte. Die Contessa drehte den Kopf zur Seite, damit sie mich mit ihren Schläfenaugen betrachten konnte, und sagte: »Aha. Dann hat sich also deine Enkelin unseren René unter den Nagel gerissen, Clarisse. Na, das muss dich ja außerordentlich befriedigen.«
Ihrer eigenen Enkelin - die sie uns als Bella vorgestellt hatte - warf sie danach einen Blick zu, der so superfies war, dass Bella richtig zusammenschrumpfte.
Erst da durchschaute ich das Spiel.
»Und wie es mich befriedigt, Elena«, flötete Grandmère, drehte sich um und sagte im Weggehen zu mir und René: »Kommt, Kinder!« René grinste schief und sah mehr denn je aus wie Enrique Iglesias, aber ich wäre vor Wut fast geplatzt!
»Ich glaub es einfach nicht!«, schäumte ich, sobald wir außer Hörweite waren.
»Was glaubst du nicht, Amelia?«, fragte Grandmère und nickte einem Afrikaner im Kaftan höflich zu.
»Na, dass du dieser Frau erzählt hast, dass ich mit René zusammen bin. Das hast du doch bloß gemacht, damit diese arme Bella blöd dasteht.«
»René«, sagte Grandmère lieb. Sie kann sehr lieb sein, wenn sie will. »Sei ein Engel und hol uns Champagner.«
René ging los, um sie mit Alkohol zu versorgen - er grinste immer noch schief.
»Also wirklich, Amelia!«, schimpfte Grandmère, sobald er weg war. »Musst du dem armen René gegenüber so unhöflich sein? Ich will doch nur, dass sich dein Cousin hier in der Fremde nicht so ausgeschlossen fühlt.«
»Es ist aber ein Unterschied«, sagte ich, »dafür zu sorgen, dass sich jemand nicht ausgeschlossen fühlt, oder ihn als meinen festen Freund auszugeben.«
»Ich verstehe gar nicht, was du gegen René hast«, schnarrte Grandmère. Um uns herum strömten elegant gekleidete Menschen in Smokings und Abendkleidern auf die Tanzfläche, weil das Orchester gerade das Lied spielte, das Audrey Hepburn in diesem Tiffany-Frühstücksfilm singt. Alle waren entweder schwarz oder weiß oder schwarz-weiß angezogen. Irgendwie erinnerte mich der Ballsaal der Contessa an das Pinguinhaus im Zoo im Central Park, wo ich mir damals die Augen aus dem Kopf heulte, nachdem mir Dad eröffnet hatte, dass ich ab jetzt Prinzessin bin.
»René ist so charmant«, sagte Grandmère, »und so weltmännisch. Außerdem sieht er verteufelt gut aus. Wie kannst du nur einen hundsgewöhnlichen Schuljungen einem Prinzen vorziehen?«
»Weil ich ihn liebe«, sagte ich.
»Pah, Liebe!« Grandmère verdrehte angewidert die Augen zur Saaldecke, die übrigens aus purem Glas war. »Bö’ff!«
»Tja, Grandmère«, sagte ich. »So ist es nun mal. Ich liebe ihn, wie du Grandpère geliebt hast - und versuch das bloß nicht zu leugnen. Ich weiß genau, dass du ihn geliebt hast. Mach dir keine Hoffnungen, René könnte jemals dein Schwiegerenkel werden. Das kannst du dir abschminken.«
Grandmère guckte wie ein Unschuldslamm. »Absurde Idee!«
»Mach mir nichts vor, Grandmère! Ich weiß doch genau,
dass du mich mit René verkuppeln willst, und zwar bloß, weil er Prinz ist und du die Contessa neidisch machen willst. Aber daraus wird nichts. Auch wenn Michael mit mir Schluss macht …«, was möglicherweise früher der Fall sein wird, als sie sich erträumt, »werde ich garantiert nie Renés Freundin.«
Grandmère lenkte ein. »Eh bien«, sagte sie gereizt. »Kein Wort mehr über diese Sache. Aber tanzen musst du mit ihm. Wenigstens ein Mal.«
»Grandmère!« Tanzen war so ungefähr das Letzte, worauf ich Lust hatte.
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