Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)
Bergmännern aus Russland, Amerika, Deutschland, Norwegen und England in Spitzbergen ein. Ständig gibt es Querelen, welche mangels rechtsprechender Autoritäten ohne viel Federlesens beigelegt werden. Wie denn beigelegt? Ging es womöglich darum? Um einen Streit?
Eine Erwähnung von Gruhuken konnte ich nicht entdecken, doch in einem anderen Buch gibt es ein Kapitel über die Folklore von Spitzbergen, welches ich überschlagen habe. Verflucht will ich sein, wenn ich mir irgendwelche Flausen in den Kopf setzen lasse. Davon habe ich auch so schon genug.
Zwischen Gus’ Bänden über Botanik und Vögel habe ich ein in blaues Wachstuch geschlagenes Notizbüchlein gefunden. Ich wusste nicht, dass er Tagebuch geführt hat, ich dachte, er würde sich Notizen für den Expeditionsbericht machen. Was für einen Schrecken mir der Anblick seiner Handschrift eingejagt hat! Es klingt lachhaft, doch ich kam mir vor, als hätte mich einer gewürgt.
Ich legte das Tagebuch dorthin zurück, wo ich es gefunden hatte. Ungelesen natürlich.
25. Oktober
GROSSARTIGE NEUIGKEITEN! Eine Übermittlung aus Longyearbyen! GUS OPERIERT STOP ALLES GUT STOP HABE SEINE LEUTE ANGEFUNKT STOP KOPF HOCH ALTER KNABE STOP SIND BALD ZURÜCK STOP ALGIE STOP
Gott sei Dank! Mir ist eben erst klargeworden, dass ich die Furcht in mir getragen habe wie eine gespannte Feder.
Als die Übermittlung kam, war ich so erleichtert, dass ich die Worte fast nicht niederschreiben konnte. Es geht ihm gut! Er wird wieder in Ordnung kommen. In ein paar Tagen ist er wieder hier, und es wird sein, als wäre er nie fort gewesen.
Zur Feier des Tages habe ich meinen Frühstücksbrei mit Zuckersirup und Whisky gewürzt. Dann wurde ich furchtbar geschäftig und brachte pflichtschuldig den Motor in Gang, um die wöchentlichen Berichte nach England zu schicken. (Leichter gesagt als getan, denn der Motor ist ein höchst widerspenstiges Scheusal, dem die Kälte an dieser Seite der Hütte missbehagt, und so muss ich ihn hätscheln und die Ventile am Ofen wärmen.) Auf meinen Bericht an die Times bin ich reichlich stolz. Ich habe ihn ganz sachlich gehalten, ganz nach Tagesordnung: Expeditionsleiter kurzfristig unpässlich, Funker übernimmt zwischenzeitlich Leitung. Ich will nicht, dass sie Lunte riechen und reißerisch über den Umstand herfallen, dass ich ganz alleine hier bin.
Heute war ein klarer «Tag», mit genügend Licht um elf Uhr, um diese Bezeichnung zu rechtfertigen, und so habe ich mit den Hunden einen Gang an den Strand unternommen.
Mein Gott, was täte ich nur ohne sie? Was für lebendige, anhängliche Kreaturen das do ch sind. Mir behagt das Geräusch, das ihre Pfoten auf dem Schnee machen, wenn sie losspringen, um Dinge zu untersuchen, und dann zurückgesprungen kommen, um mir Bericht zu erstatten. Upik ist gar nicht so grimmig, wie ich dachte, sie ist nur furchtlos; und ihr Gefährte Svarten mag zwar, was mich betrifft, scheu sein, doch er hält das ganze Rudel auf Linie. Kiawak ist auch schwarz, so wie Svarten, mit langem, weichem Fell und lohfarbenen Augenbrauen; nasse Pfoten kann er nicht ausstehen. Eli ist beige und nicht allzu helle (ich nenne ihn Blondchen). Pakomi, Jens und Anadark haben die Farbe von Wölfen: struppiges, graubraunes Fell mit schwarzen Spitzen. Sie sind voller Misstrauen und lieben es, auf das Dach der Hundehütte zu springen, um die Lage zu sondieren; ich vermute, sie haben es auf das Dach der Haupthütte abgesehen. Isaak hat ebenfalls Wolfsfell, doch sein Gesicht ist hübscher als das der anderen, und er hat umwerfend hellblaue Augen.
Nicht zu fassen, dass ich sie zurücklassen wollte. Dass ich tatsächlich in Erwägung gezogen hatte, sie zu erschießen!
Später
Auf der Bucht liegt eine dünne Eisschicht.
Es ist mir nicht aufgefallen, als ich mit den Hunden draußen war, doch heute Abend nach der Fünf-Uhr-Ablesung habe ich sie gesehen. Sie ist hauchdünn. Als ich einen Stein geworfen habe, ist sie klirrend in lange Splitter zerbrochen. Die Flut wird sie mitnehmen. Doch ich muss den Tatsachen ins Auge blicken. Zu einem gewissen Zeitpunkt wird die See zufrieren.
Wann?
Ich kann mich daran erinnern, dass Eriksson von den Bergleuten in Longyearbyen erzählt hat, die lediglich im November eine Weile die Arbeit niederlegen. Doch Gruhuken liegt nördlicher als Longyearbyen.
Was, wenn die See zufriert, ehe Gus und Algie zurück sind? Was, wenn ich bis zum Frühjahr allein hierbleiben muss?
26. Oktober
Es ist nichts geschehen, ich habe
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