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Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Titel: Dein Ende wird dunkel sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Neffe, auf den man achtgeben muss, weil er sich sonst in Schwierigkeiten bringt. Ich nenne ihn «Mister Bjørvik», und er sagt «Mister Yack» zu mir.
    Aus Achtung vor seinen Gewohnheiten nehmen wir die Hauptmahlzeit um zwei ein. Danach spielen wir Karten oder hören den Rundfunk – jedoch niemals zur gleichen Zeit, weil er das der BBC gegenüber für respektlos hält. Um acht nehmen wir ein schlichtes Abendessen aus Eiern und Speck zu uns, und um halb zehn wünscht er mir eine gute Nacht und legt sich schlafen, während ich noch ein wenig sitzen bleibe und die Sicherheit genieße. Er ist einfaches Essen gewohnt, hauptsächlich Robben und Rentier (er nennt alles einfach «Fleisch»); Fladenbrot, Walfischspeck, Dörraprikosen und literweise Kaffee. Es macht mir Freude, ihn mit eingemachtem Hammel und Schwein zu verwöhnen, mit exotischem Obstsalat und Gemüse aus der Dose, mit Keksen und Schokolade. Gestern hat er ein Rentier geschossen (deren Schutzstatus er stillschweigend ignoriert), und es gab riesige, saftige Filets und Blutkuchen – köstlich. Das Blut schmeckt man überhaupt nicht heraus. Auch das glibberige Mark der Hinterläufe aßen wir, was ebenfalls köstlich war, mich jedoch, sehr zu Bjørviks Vergnügen, diverse Male aufs Klosett getrieben hat.
    Meine Lieblingsstunde ist die Zeit nach dem Abendessen. Ich lese und rauche, und er raucht und schnitzt: ein paar Holzpantoffeln für die bevorstehende Kälte, einen Geweihgriff für sein Messer. Er verschlingt Algies Kriminalromane, und Edgar Wallace hat es ihm besonders angetan.
    Mehrere Male jede Stunde stehe ich auf, trete ans Fenster und suche den Himmel nach Wolken ab. Ich weiß selbst, wie dumm das ist, aber ich kann es nicht ändern. Ich hasse noch den hauchdünnsten Schleier vor dem Mond. Und es geschieht immer so plötzlich: Eben noch fällt der Blick auf diese leuchtend helle, makellose Scheibe, und im nächsten Augenblick ist sie verschwunden, von tintiger Schwärze verschluckt. Ich dachte, Bjørvik würde mich meiner Ängstlichkeit wegen verlachen, doch er lächelt nicht einmal. Ich habe das Gefühl, er versteht haargenau, weshalb ich das Licht brauche.
    Ich habe den Spuk mit keinem Wort erwähnt, und er hat das Thema von sich aus auch nicht angesprochen, doch ich bin mir sicher, dass er es weiß. Er hat mir erzählt, dass er schon seit Jahren an diesem Teil der Küste Jagd macht. Er weiß es. Als ich ihn einmal gefragt habe, ob er jemals rar erlebt hat, hat er mich argwöhnisch angesehen und gesagt, an seinem Küstenabschnitt habe er noch nie irgendwelche «Schwierigkeiten» gehabt. Und als ich heute Abend meinte, ich würde den Wind, der im Augenblick umgeht, jederzeit der «Totenstille» vorziehen, sagte er: «Jaa. Die Stille. Wenn man sich selbst blinzeln hört. Ist schlimm.» Später fragte er mich nach dem Bärenpfosten, und als ich erzählte, ich hätte ihn gefällt, runzelte er die Stirn.
    Das war die Gelegenheit. Ich hätte etwas sagen sollen. Warum habe ich es nicht getan?
    Weil ich nicht möchte. Weil ich Angst habe, es anzulocken, wenn ich darüber spreche. Damals im August, beim «ersten Dunkel», wollte Eriksson wissen, ob ich das Ding angesprochen hatte. Inzwischen verstehe ich, weshalb er das für wichtig hielt. Aus dem gleichen Grund möchte ich Bjørvik nichts davon erzählen; ich habe das Gefühl, wenn ich es erwähne, lade ich es ein.
    Obendrein ist das mit ein wenig Glück auch gar nicht notwendig. Wenn alles glatt läuft und die See offen bleibt, sind Gus und Algie zurück, ehe Bjørvik wieder geht.
    14. November
    Nach dem letzten Eintrag kam ein Sturm auf: ein Nordwind vom Pol. Er ist wieder vorüber, doch heute Morgen war der Himmel so bedeckt, dass ich den Mond nicht sehen konnte, und die Bucht war voll Eis.
    Ich war entsetzt. Die See war weg. Verschwunden unter riesigen, chaotisch aufgetürmten Eisplatten und schiefen Gipfeln. Es sah aus wie eine phantastische gefrorene Stadt. Ich konnte es nicht fassen. Das Packeis wird nicht vor Neujahr erwartet.
    Als ich meine Gedanken mit Bjørvik teilte, lachte er bellend. « Nej, nej , Mister Yack, das ist kein Packeis! Packeis kommt im Januar , und das erkennst du. Das siehst du dann am islyning , am Eisblink, wenn sich sein Licht am Himmel spiegelt. Das hier ist nur Treibeis vom Sturm. Sehr gefährlich, bleib weg davon, Mister Yack. Aber keine Sorge, bald dreht der Wind, und das Eis ist weg.»
    Er hatte natürlich recht. Der Wind hat bereits gedreht und treibt das Eis zurück auf

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