Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
Mausoleen, von denen einige mehr als mannshoch und vollständig erhalten waren. Von anderen dagegen waren nur noch ein paar Steinbrocken übrig.
Hier hatte ich Athene gegenübergestanden, hier hatte ich den zu Pulver gemahlenen Zehenknochen von Alice Cromley eingeatmet. Ihre sterblichen Überreste hatten mir die Wahrheit über meinen Fluch offenbart und mir gezeigt, was meine Vorfahrin, die Medusa, durchlitten hatte.
Ich ging an der Stelle vorbei, an der Daniel, Josephine Arnauds Sekretär, in der Schlacht gegen Athene getötet worden war. An einem Zweig baumelte ein Stofffetzen, der wohl während des Kampfs dort hängen geblieben war. Überall waren Spuren der Schlacht zu finden, in den aufgewühlten Blättern, den getrockneten Blutspritzern auf dem Marmor …
Mein Blick ging zu dem niedrigen, knorrigen Ast, auf dem Athene gekauert hatte, und zu dem Grabmal, auf dem Sie eine atemberaubende Show abgezogen hatte, mit mir in der Hauptrolle. Ich blieb stehen, als ich vor meinem geistigen Auge Athene sah, die wahnsinnig gewordene, soziopathische Göttin des Krieges, wie Sie auf dem Dach des bröckelnden Grabmals saß und ihre Füße über den Rand baumeln ließ.
»Wie wäre es, wenn ich es ihnen zeige? Nur ein kleiner Vorgeschmack … eine Vision … um dir , liebe Ari, zu zeigen, dass du nicht hierhergehörst …«
In ihren Augen standen Arroganz und ein brutales Flackern, als grüne Blitze aus ihren Händen schossen und mich von der feuchten Erde hoben. Ich hing in der Luft, als würde ich im Wasser schweben; während sich meine Haare aus dem Knoten in meinem Nacken lösten und in weißen Wellen ausbreiteten.
Und dann der Schmerz. Meine Kopfhaut brannte. Mein Herz hämmerte wie wild. Angst, nackte, unbändige Angst, als sich etwas zu bewegen begann und meine Kopfhaut aufbrechen ließ, als sich dieses Etwas in zuckenden, milchweißen, schlangenähnlichen Schatten aufrichtete – eine grässliche, Furcht einflößende Vision dessen, was mir bevorstand.
Meine Freunde hatten mich voller Entsetzen angestarrt. Es war genau das, was Athene gewollt hatte. Mein Platz sei bei ihr, hatte Sie gesagt. Und an etwas wie mir konnte Sebastian nie im Leben Interesse haben. Ich kniff die Augen zusammen, als ich die schneidende Wahrheit dieser Erinnerung abzumildern versuchte.
Dann ging ich weiter. Während ich damit begann, den Friedhof abzusuchen, verdrängte ich nicht länger die Gedanken an Sebastian. Die kurze Zeit, die wir miteinander verbracht hatten, war spontan und verrückt gewesen, wir hatten der verkorksten Welt, dem verkorksten Leben einfach den Stinkefinger gezeigt. Eine Realitätsflucht vom Feinsten hatten wir hingelegt.
Ich wusste ganz genau, warum ich das Risiko eingegangen war und es einfach hatte geschehen lassen, als ich in Sebastians Armen aufgewacht war und wir uns angesehen hatten.
Man nannte es Einsamkeit. Vielleicht war auch noch ein bisschen Verzweiflung dabei. Und es fühlte sich richtig an. Normal.
Ich war allein in einer fremden Stadt und wäre fast ausgeflippt, nachdem ich die Sache über meine Mutter erfahren hatte. Noch mehr Angst hatte es mir gemacht, dass ich den Jäger getötet hatte. Und dann war da Sebastian. Er sah mich. Mich. Da er so außergewöhnlich einfühlsam war, hatte er an meinem ersten Tag in New 2 wohl eine ganze Menge gesehen. Wir waren beide anders. Beide Einzelgänger. Vielleicht war er deshalb auch in der Lage gewesen, über sämtliche Hindernisse hinwegzusehen und einfach den Moment zu genießen.
Ich seufzte. Ich hatte keine Ahnung, was er jetzt für mich empfand oder wie wir beide zueinander standen. Als Athene ihm und den anderen gezeigt hatte, was aus mir werden würde, war er bleich vor Entsetzen zurückgewichen. Und ich dumme Kuh hatte mich von der Möglichkeit eines »wir« anziehen lassen wie die Motte vom Licht. Er war weggerannt, und obwohl er mit Verstärkung zurückgekommen war, bedeutete das nicht, dass er noch Interesse an mir hatte. Wie könnte er auch? Schließlich hatte er ja gesehen, was ich war. Wie konnte jemand mit so etwas leben?
An jenem Tag im Friedhof war nur eine Person nicht weggerannt: Violet.
Meine Kehle war wie zugeschnürt, Tränen standen mir in den Augen. Ich zog den Kopf ein und ging schneller.
Das kleine blasse Mädchen mit dem schwarzen Pagenkopf, den dunklen Augen, der frechen Nase und den unheimlichen Fangzähnen hatte seine Mardi-Gras-Maske aus dem Gesicht geschoben und mich staunend angesehen.
Sie hatte verdammt noch mal
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