Dein Herz will ich erobern
ist immerhin mir zu Hilfe gekommen, Jimmy. Er hat mich beschützt. Wenn mich keine Schuld trifft, wen dann?“
Er war bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie besorgt er ohnehin schon um sie war – ebenso wie Kevin und Lily. Alison hatte genug zu verkraften, auch ohne diesen Überfall. Sie wirkte freundlich und offen, und doch ließ sie keinen Mann an sich heran. Die einzige Ausnahme hatte ihr Ehemann dargestellt, doch die Verbindung hatte nicht einmal ein Jahr angedauert, und seitdem verkroch sie sich noch mehr in sich selbst.
Manchmal verglich er sie im Stillen mit einem verwundeten Spatzen. Allein eine Andeutung in diese Richtung hätte sie veranlasst, mit beiden Fäusten auf ihn loszugehen und ihm zu beweisen, wie wenig sie mit einem Spatz gemeinsam hatte. Aber er wusste es besser.
„Die Gesellschaft, die Gesetze, die Straßenräuber und so weiter. Ich könnte dir eine ellenlange Liste aufzählen.“ Eindringlich musterte er sie. „Bist du wirklich unverletzt?“
Sie wusste, dass er in ihrer Seele geforscht hätte, wäre es ihm, möglich gewesen. Doch das war Sperrgebiet, selbst für ihn. „Wirklich. Kümmere dich bitte um Luc, ja? Ich fühle mich echt verantwortlich für ihn.“
„Okay.“ Jimmy legte ihr einen Arm um die Schultern und drehte sich zu Luc um.
„Dann wollen wir mal sicherheitshalber Ihren Kopf röntgen.“
Jimmy schaltete das Display aus, nahm die beiden Röntgenaufnahmen ab und schob sie in einen großen Umschlag. „Ich habe eine gute Nachricht für Sie. Ich sehe keinerlei Anzeichen einer Schwellung oder Blutung“, teilte er Luc mit.
„Aber was ist mit der Amnesie?“ hakte Alison nach.
„Die müsste sich wieder geben. In wenigen Tagen.“ Er hielt inne, relativierte dann: „Mit etwas Glück.“
„Müsste“, wiederholte Luc, und das Wort hallte durch die endlose Leere in seinem Kopf. „Also ist es nicht garantiert.“
Jimmy wusste, dass er die Situation seines Patienten nicht wirklich nachvollziehen konnte. Dennoch fragte er sich, wie er sich fühlen würde, wenn er aus einer Bewusstlosigkeit erwacht wäre und seine gesamten Lebenserinnerungen ausgelöscht vorfände. Eine beängstigende Vorstellung.
„Nichts im Leben ist garantiert.“
„Außer dem Tod und den Steuern.“ Mit gerunzelter Stirn dachte Luc über den Spruch nach, der ihm unvermittelt eingefallen war. Er hatte ihn irgendwo gehört.
Aber wo und wann? Er unterdrückte seine Verzweiflung und konzentrierte sich auf die Tatsache, dass er sich überhaupt an etwas erinnerte, wie trivial es auch sein mochte.
„Das stimmt.“ Jimmy schrieb eine letzte Bemerkung auf das Krankenblatt, bevor er es zuklappte. Dann reichte er Luc eine weiße Schachtel. „Ich gebe Ihnen zehn Tabletten mit. Nehmen Sie alle vier Stunden eine, wenn die Schmerzen zu stark werden. Sie machen schläfrig“, warnte er, „aber offensichtlich werden Sie in absehbarer Zeit keine schweren Maschinen bedienen.“
„Wenn es nicht noch schlimmer wird, würde ich lieber wach bleiben“, wandte Luc ein, doch er steckte die Schachtel ein. „Mein Kopf ist auch so schon wirr genug.“
„Das müssen Sie selbst entscheiden.“ Jimmy wurde bewusst, dass Luc wahrscheinlich keine Unterkunft hatte. „Hier in der Nähe gibt es eine Herberge…“
„Er hat die Adresse schon“, unterbrach Alison. „Die Polizei hat sie ihm gegeben.“
„Dann ist ja wohl so weit alles klar.“
„Es sieht so aus“, pflichtete Luc ihm bei.
„Noch mal danke, dass Sie die Kleine gerettet haben.“ Er deutete mit dem Kopf zu Alison, während er Luc die Hand schüttelte. „Wir haben uns irgendwie daran gewöhnt, sie um uns zu haben.“
Luc wusste momentan nicht, was er mit dem Dank anfangen sollte. Also nickte er nur und konzentrierte sich auf die Zuneigung, die er aus der Stimme des Arztes herausgehört hatte. Mit derselben Herzlichkeit sprach Alison von ihrem Bruder.
Habe ich eine Familie? fragte er sich. Gehörte Geschwisterliebe auch zu seinem Leben? Er hatte das vage Gefühl, dass dem so war, aber vielleicht war es auch nur Wunschdenken.
Als er mit Alison aus dem Gebäude ging, fiel ihm auf, dass sie ausnahmsweise nicht viel zu sagen hatte. Vermutlich überlegte sie, ob sie ihn zu dem Asyl fahren oder ihn zu Fuß gehen lassen sollte.
Sie schwieg, bis sie den Parkplatz erreichten. Als sie das Taxi aufschloss, verkündete sie: „Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass Sie in diese Herberge einziehen.“
„Aha“, murmelte er nur, da er
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