Dein Herz will ich erobern
nicht wusste, was er mit dieser Aussage anfangen sollte.
Sie schwankte zwischen Schuldgefühlen und dem Bedürfnis, ihre Privatsphäre zu hüten. Die Schuld siegte. „Wahrscheinlich haben Sie mir das Leben gerettet, und es wäre sehr undankbar, Sie für das Opfer, das Sie gebracht haben, in einer miesen Absteige übernachten zu lassen.“
„Was bleibt mir denn anderes übrig?“
Alison seufzte und erklärte: „Ich wohne mit meinen Brüdern Jimmy und Kevin zusammen in einem Haus. Wir haben da ein Zimmer über der Garage. Es ist nicht sehr groß, aber sauber, und Sie müssten es nicht mit vierzig anderen Leuten teilen.“ Und dem verschiedensten Ungeziefer, fügte sie im Stillen hinzu.
In seinem augenblicklichen Geisteszustand war Luc sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte. „Sie fragen mich, ob ich bei Ihnen wohnen will?“
„Nein, ich sage Ihnen, dass Sie bei mir wohnen sollen“, korrigierte sie schroff.
„Das heißt, über meiner Garage. Ich bin Ihnen was schuldig, und ich würde mich gar nicht gut fühlen, wenn ich Sie in einem Asyl absteigen ließe.“
Ein Lächeln trat auf seine Lippen. „Ich kann natürlich nicht zulassen, dass Sie sich schlecht fühlen“, murmelte er.
Alison wusste nicht, ob er sie nur neckte oder es ernst meinte. Auf jeden Fall hatte sie keine Zeit, es zu klären. Ein Blick zur Uhr verriet ihr, dass sie überfällig war. Ihre Schicht hatte vor zehn Minuten geendet, und sie hatte nichts vorzuweisen.
Außer Luc.
Sie bezweifelte, dass Kevin den Nachmittag als profitabel bezeichnen würde.
Kevin stürmte aus seinem kleinen, fensterlosen Büro, noch bevor das Taxi zum Stillstand gekommen war in der großen Garage, die seine fünf Fahrzeuge beherbergte.
Seit Alison es versäumt hatte, ihren nächsten Fahrgast aufzunehmen, und in den letzten Stunden nicht über Funk zu erreichen gewesen war, schwankte Kevin zwischen Zorn und Verzweiflung. Schließlich war sie seine kleine Schwester, und die Stadt war groß und voller Gefahr.
Nun, da er sah, dass sie unversehrt war, gewann sein Zorn endgültig die Oberhand. „Was zum Teufel fällt dir ein? Ich habe den ganzen Nachmittag versucht, dich zu erreichen. Wo hast du gesteckt, verdammt?“ Er winkte einen seiner Fahrer zu sich. „Worauf wartest du? Auf Weihnachten? Los, los!“
Der Fahrer zwängte sich an Alison vorbei und stieg in das Taxi.
Kevin drehte sich wieder zu ihr um und warf dem Mann an ihrer Seite einen finsteren Blick zu. Er wusste, dass es sich nicht um ihren Freund handeln konnte, denn sie war nicht liiert, so hübsch sie auch war. Er und seine Geschwister versuchten seit langem, sie mit jemandem zusammenzubringen, aber sie weigerte sich beharrlich.
„Ich hatte keine Gelegenheit, mich zu melden.“
„Wieso nicht?“ Kevin lief ihr nach, als sie zusammen mit dem Fremden in sein Büro ging. „Seinetwegen? Ist der etwa frech geworden?“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, schob er sie beiseite und fuhr ihren Begleiter an: „Hören Sie mal, Bürschchen, dass sie ein Taxi fährt, heißt noch lange nicht, dass sie leichte Beute…“
Alison ging zwischen die beiden. „Kevin, du lässt dich mal wieder hinreißen.“
„Du bist meine kleine Schwester. Ich habe das Recht, mich hinreißen zu lassen, wenn irgendein Typ…“
„Er hat mich gerettet.“
Kevin war abrupt verstummt und zog die dunklen Brauen zusammen. „Gerettet?
Wovor?“
„Vor einem Raubüberfall.“ Sie hatte es ihm auf ruhige, schonende Weise beibringen wollen, aber dazu war er offensichtlich zu aufgebracht. „Zwei Typen haben mir die Einnahmen gestohlen und ihm all seine Sachen. Es tut mir Leid, Kevin. Das Geld ist futsch.“
Seine Sprachlosigkeit währte nicht lange. Er blickte von Alison zu Luc und wieder zu Alison und sprudelte hervor: „Jetzt reicht es endgültig! Du fährst nie wieder für mich! Nicht tagsüber und schon gar nicht nachts! Du rührst kein Taxi mehr an, nicht mal in der Garage!“
„Kevin…“
„Ich habe dir gesagt, dass es nichts für eine Frau ist, aber du wolltest ja nicht hören. Du weißt ja immer alles besser.“ Als er daran dachte, was ihr alles, hätte zustoßen können, ereiferte er sich noch mehr. „Aber ich sag dir was. Du weißt gar…“
Sie legte ihm die Hände auf die Schultern. „Kevin, mäßige dich. Luc hat Kopfschmerzen.“
„Mir ist egal, ob…“
„Er hat sie, weil er mich beschützt hat.“
„Oh.“ Zerknirscht wandte Kevin sich an den Mann, der seinen ewigen Dank verdiente.
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