Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
was tut er da?«
McAvoy tritt zurück. Zieht den Mantel aus. Faltet ihn zusammen und legt ihn auf das Dach des großen Luxusschlittens.
»Großer Gott, das hat er gemeint …«
Plötzlich fällt Ray wieder ein, was Alan Rourke zu ihm gesagt hat. Über Noyes Verlangen nach Respekt. Seine Absicht, mit dem Bullen abzurechnen, der sein Patenkind vermöbelt hat.
»Ist er allein?«
Ray gibt keine Antwort. Beobachtet stumm, wie die Türen des Lexus aufgehen. Sieht vier Männer aussteigen.
»Du hast bessere Augen«, flüstert er und packt Archer an der Tasche ihrer patschnassen Jeansjacke. Zieht sie näher zu sich. »Sag’s mir.«
»Ronan«, meint sie unterdrückt. »Noye.«
»Gottverdammte Scheiße.«
Wortlos sehen sie McAvoy zurückweichen. Beobachten, wie eine der Gestalten sich aus dem Quartett löst. Die Spitze übernimmt.
Ray hebt das Funkgerät an die Lippen. »Bekommen Sie das mit?«
»Ja, Sir.«
»In Position bleiben.«
Aus dem Regenschleier tritt Giuseppe Noye als der führende Mann hervor. Kondensiert zu einem bulligen, untersetzten Typen mittleren Alters in Jackett und Jeans.
Er spricht mit McAvoy. Lehnt sich vor. Nase an Nase. Stößt einen Finger gegen die Brust des größeren Mannes.
»Col, die bringen ihn noch um …«
Rays Zögern ist nicht böswillig. Er hält sich aus reinem Pragmatismus zurück, hier im Dunkeln. Er sieht die Gelegenheit zu einer Festnahme. Erkennt ein Ablenkungsmanöver, das besser ist als jedes, das er hätte ersinnen können.
»Sir.«
Irritiert senkt er den Blick auf das im Dunkeln knisternde Funkgerät. Abermals hebt er die Hand.
»Lasst sie ihren Spaß haben.«
»Das ist nicht Ihr Kampf, Noye. Er lügt Sie an.«
McAvoy sagt es noch einmal. Schreit es laut genug hinaus, dass Ronan es hören kann. Der rothaarige Teenager, eingerahmt von zwei Gangstern in Lederjacken, macht das Victoryzeichen.
»Er wird dich zu Brei schlagen, Bulle. Zu Brei schlagen.«
McAvoy hat Mühe, das Gleichgewicht zu halten, als der kleinere Mann vorrückt und mit schnellen, kraftvollen Schlägen auf seinen Kopf zielt. Er fängt sie mit den Unterarmen ab, setzt eine kurze Gerade ein und weicht zurück, wehrt den erfahrenen Kämpfer mit Schnelligkeit und Beweglichkeit ab. Er versucht, einen Boxkampf daraus zu machen. Etwas halbwegs Faires. Erinnert sich an seine Ringschlachten an der Universität; mit Helm, Mundschutz, Weste und gepolsterten Shorts. Doch diese Erfahrung hilft ihm jetzt wenig, auf diesem Flecken unebenen Bodens, erhellt nur von einem Streifen Mondlicht, im Kampf gegen einen Mann, dessen Hände fast schwarz verfärbt sind von dem Blut, das er in zahllosen ähnlichen Prügeleien vergossen hat.
»Kämpft, Jungs, kämpft.«
McAvoy kennt den Schiedsrichter nicht. Er ist ein kleiner, schmächtiger Mann mittleren Alters, von dessen Gesicht man zwischen dem Kragen eines Schaffellmantels und dem Schirm einer flachen Mütze wenig erkennen kann. Er hat ihnen kurz erklärt, was sich hier Regeln nennt, und Noye ermahnt, dass er keines von seinen üblichen Fouls sehen wolle. Fragte McAvoy, ob er einen Sekundanten hätte, und quittierte seine Antwort nur mit einem Kopfschütteln.
»Ich mach dich fertig, Kleiner«, sagt Noye. »Du wirst noch nach deiner Mama schreien.«
Noye knurrt unterdrückte Drohungen, während McAvoy versucht, in den Clinch zu gehen und Kraft und Energie des Mannes auszutesten.
»Er lügt Sie an«, sagt er Noye ins Ohr, während eine kurze Linke in seine Rippen kracht. »Ihr Patensohn. Er ist ein Lügner. Er hat Sie alle verraten. Und jetzt lässt er Sie auch noch seine Kämpfe ausfechten …«
Ein weiterer Schlag erwischt ihn am Körper, und diesmal tut es weh. McAvoy zuckt zusammen, und Noye wittert einen schnellen Sieg. Mit einem harten rechten Schwinger trifft er McAvoy hinterm Ohr. Lässt einen Schlag mit der Handwurzel zum Kinn folgen.
McAvoy wird schwarz vor Augen. Er hört irgendeinen schrillen Ton, dann statisches Rauschen.
Er ist auf ein Knie gesunken. Hebt die Hand. Versucht, die Schläge abzublocken, die auf ihn herabregnen.
Der Schiedsrichter reißt Noye zurück, bevor er seinem zu Boden gegangenen Gegner einen Tritt mit dem Stiefel versetzen kann. Schließlich gibt es Regeln. Einen Kodex. Keine Tritte. Keine Schläge, wenn einer am Boden liegt. Kein Beißen, es sei denn, der Gegner versucht gerade, dir die Mandeln rauszureißen. Alles andere ist erlaubt.
McAvoy rappelt sich hoch, groggy, desorientiert. Starke Arme stoßen ihn in einen erneuten
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