Dein ist die Rache
keinerlei Hinweis darauf, dass Rourke mit der Polizei zu tun gehabt hätte.
»Weiß nicht, ob das eine Vernehmung war«, meint er nachdenklich. »Sagen wir, er hat sich mich vorgeknöpft.«
»In Zusammenhang mit …?«
Rourke macht wieder dicht. »Kein Kommentar.«
Ray schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. »Welcher Beamte?« Rourke scheint zu überlegen, ob er diesen Informationsfetzen besser für sich behält. »Russell«, erwidert er schließlich.
Archers Körpersprache verrät, dass ihr der Name etwas sagt, und Rourkes Augenbrauen schießen in die Höhe.
»Hat er es etwa nicht in eure kleine Maschine eingegeben? Wen wundert’s! Das hätte Mumm erfordert. Aber ich sag Ihnen was, Sir, es erfordert auch Mumm, einen Mann zu bedrohen, während seine Rottweiler neben ihm stehen. Der Typ ist so grün angelaufen wie eure Scheißwände hier. Ich glaube nicht, dass das, was er sagen wollte, so richtig rüberkam.«
Ray lässt sich in seinen Stuhl zurückfallen. Presst die Lippen zusammen. Sagt dieser Rom die Wahrheit? Adrian Russell ist der Leiter des Drogendezernats: das letzte überlebende Mitglied des korrupten Teams, das vor einem Jahr in »Kapital & Organisiert« umgewandelt wurde. Außerdem ist er Colin Rays Freund.
»Hat er mit Ihnen über Drogen geredet?«
»Kein Kommentar.«
»Raub?«
»Fragen Sie ihn doch.«
»Sie werden verdammt noch mal meine Fragen beantworten …«
Rourke grinst übers ganze Gesicht.
»Nein, das werde ich verdammt noch mal nicht.«
23 : 41 Uhr, Morphet Street, Hull.
Flackernde Straßenlaternen, strömender Regen.
Es ist ein Straßenzug mit Studentenbuden und Billigwohnungen, wo in jedem zweiten Fenster Poster für Club Nights hängen und sich in den winzigen Vorgärten Berge von zerrissenen Müllbeuteln, Pizzaschachteln und kaputten Möbeln stapeln. Die veschiedensten Musikrichtungen plärren heraus, und das Flackern von riesigen Flachbildfernsehern dringt aus vorhanglosen Fenstern.
Die neunzehnjährige Georgie-Lee Suthers sitzt auf den Eingangsstufen eines der gepflegter aussehenden Häuser der Straße. Sie raucht eine Zigarette und spielt mit ihrem Telefon herum.
Sie ist als Braut des Todes ausstaffiert. Ihr Kleid stammt aus dem Wohlfahrtsladen, sie ist mit Talkum gepudert. An ihrem Hals befindet sich ein länglicher roter Farbklecks. Pandaaugen blicken aus einem leichenhaft weißen Gesicht, und ihre Beine mit den zerrissenen Netzstrümpfen bilden den Hintergrund für eine Armee eintätowierter Spinnen.
Der Regen ruiniert ihr Make-up, aber nach dem Mateus Rosé und ein paar Gläsern Rum ist sie zu zugedröhnt, um es zu beachten.
Sie blickt auf ihr Telefon. Hofft auf eine Nachricht. Die Ankündigung, dass eine Busladung voller Gäste unterwegs ist.
Georgie-Lee kaut auf dem Filter ihrer Zigarette herum und schmollt. »Na, vielen Dank auch.«
Es hätte eine richtige Party werden sollen, doch man konnte es beim besten Willen höchstens als Treffen bezeichnen.
Georgie-Lee hat sich in den vergangenen drei Stunden förmlich ein Bein ausgerissen, um aus dem Geburtstag ihrer Mitbewohnerin etwas Besonderes zu machen, aber selbst in der Enge ihrer Wohnung verliert sich das lumpige Dutzend Gäste.
Sie hatte sich so bemüht, den Abend zu einem Erfolg zu machen. Sorgte dafür, dass Freundinnen Jen zum Shoppen mitnahmen, während sie selbst Ballons aufblies und Schokoladen-Crispy-Cakes und noch halbgefrorene Bratwurstbrötchen auf dem Kaffeetisch anrichtete. Sie stellte sogar auf dem iPod eine Playlist ihrer Lieblings-Partysongs zusammen. Trank ein schönes Glas Wein und tanzte durch die Wohnung, während sie überall falsche Spinnweben und Skelettsilhouetten anbrachte. Verteilte einen Beutel Kunstspinnen und malte Pupillen auf Pingpongbälle, um sie in den »Hexentrank« zu werfen.
Als nur noch eine halbe Stunde bis zu Jens Rückkehr blieb, wurde Georgie-Lee klar, dass sie dafür hätte sorgen sollen, dass die Leute ihre Einladungen auch bestätigten. Die gut dreißig Freunde von der Uni, die definitiv hatten kommen wollen, ließen sie offenbar im Stich. Jen gab natürlich anerkennende Laute von sich, doch schon als sie in das knappe Vampirkostüm schlüpfte, das Georgie-Lee für sie ausgesucht hatte, wurde klar, dass sie nicht in der richtigen Stimmung war, aber auch nicht erfreut darüber, dass es allen anderen anscheinend ebenso ging.
Georgie-Lee spielt mit ihrem Telefon. Fragt sich, ob sie als neuen Facebook-Status eingeben soll: »Denke daran, mir Freunde
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