Dein Kuss in meiner Nacht
Unsinn, Narjana. Wir beide wissen, dass du keine Sekunde zögern würdest, mich zu töten, es sei denn, du hast etwas anderes vor. Also was ist es? Warum hältst du mich hier gefangen?«
Narjana schüttelte den Kopf und machte ein gespielt beleidigtes Gesicht.
»Also wirklich, Cole«, sagte sie in schmollendem Tonfall. »Du hast wirklich keine gute Meinung von mir. Wenn man bedenkt, dass wir zusammen aufgewachsen sind, du quasi so etwas wie ein großer Bruder für mich bist, dann finde ich, du könntest ein wenig netter zu mir sein.«
Cole lachte freudlos.
»Erstens bin ich nur vier Tage älter als du, und zweitens war es deine Entscheidung, die Seiten zu wechseln und zur Umbra zu gehen.«
»Eine Entscheidung, die ich nicht bereut habe«, warf Narjana ein. »Die Umbra garantiert mir Macht und Reichtum. Was habt ihr traurigen Shadowcaster dagegen zu erwarten als Lohn für eure Arbeit, für euer Blut? Ein mageres Einkommen und dumme Blechmedaillen. Nein, Cole! Ich habe getan, was jeder tun sollte, wenn er nur ein wenig Grips im Kopf hat. Was bringt es dir, uns zu jagen? Was interessiert es dich und deinesgleichen, ob wir ein paar Menschen als Sklaven verkaufen oder mit Drogen handeln? Sind die Menschen dir dankbar dafür, dass du deinen Arsch für sie hinhältst? Nein! Sie dürfen ja nicht einmal wissen, dass es dich gibt. Auch deine süße Kleine darf nicht wissen, dass du nicht von ihrer Welt kommst.«
»Wo ist sie?«, brüllte Cole aufgebracht. »Was hast du mit ihr gemacht? Du falsche Schlange. Ich bring dich um, wenn ...«
»Tztztz. Wirklich Cole! Du solltest etwas auf deinen Umgangston achten, wenn du mit mir sprichst«, mokierte sich Narjana. »Gib ihm ein paar Schläge mit der Peitsche für seine Respektlosigkeit«, befahl sie einem ihrer Schergen.
Der Seeker schwang eine lange Laserpeitsche und schlug mit gezielten Schlägen auf Coles nackte Brust und Bauch ein. Cole biss die Zähne zusammen, als die Laserschnur in sein Fleisch schnitt, doch er gab keinen Laut von sich. Es geschah ihm ganz recht. Er war wütend auf sich selbst, dass er sich hatte überwältigen lassen.
»Genug!«, entschied Narjana.
Der Seeker steckte die Peitsche wieder in seinen Gürtel und trat zurück. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt blieb er im Halbdunkel stehen und setzte eine unbeteiligte Miene auf.
»Wo ist Faith?«, fragte Cole erneut mit eisiger Stimme.
»Wir vermuten, dass sie auf S44F, S47L oder S41Q ist. Das sind aber bisher noch unbestätigte Vermutungen. Allerdings dürfte dir dieses Wissen nicht viel nutzen, solange du dort angekettet bist.«
»Was willst du? Was muss ich tun, damit du mich freilässt? Darum geht das Ganze hier doch, nicht wahr? Du hast mich gefangen und lockst damit, dass ich Faith befreien kann, wenn ich dir nur gebe, was du verlangst.«
Narjana verzog ihre blutroten Lippen zu einem gerissenen Grinsen.
»Ich möchte nur eine kleine Information. Sobald ich überprüft habe, ob die Information auch richtig ist, werde ich veranlassen, dass man dich freilässt.«
»Und was für eine kleine Information soll das sein?«, fragte Cole argwöhnisch.
»Die Koordinaten zu P77M.«
Cole lachte bitter.
»Du weißt, dass ich dir diese Information nicht geben kann. Nicht umsonst sind die Daten zu P77M streng geheim. Niemand hat ein Anrecht auf die Quelle. Es wurde so vom Tribunal beschlossen und ich finde die Entscheidung richtig. Warum bist du so wild auf ewiges Leben, wenn sie den Verlust deiner Seele bedeutet?«
»Ich scheiß auf meine verdammte Seele«, erwiderte Narjana. »Ich brauche kein Gewissen. Aber Unsterblichkeit. Macht. Das ist es, was ich will und ich werde es bekommen.«
»Selbst wenn ich dir die Koordinaten geben würde, was ich nicht tue, aber gesetzt den Fall, ich würde es tun, es wäre wahrscheinlich dein Untergang. Um zur Quelle der ewigen Jugend zu gelangen, müsstest du zuerst durch den Sumpf der tausend Seelen, danach über das Gebirge der Nebelelfen und für den unwahrscheinlichen Fall, dass du das überleben solltest, musst du noch durch das Labyrinth der Eisdrachen. Es ist unmöglich! Also vergiss es lieber gleich.«
»Ich habe keine Angst vor Prüfungen.« Narjana funkelte Cole aus ihren violetten Augen an. »Also wirst du mir die Koordinaten nun verraten, oder soll ich dafür sorgen, dass man deine kleine Faith hierherholt, um deiner Entscheidungsschwäche auf die Sprünge zu helfen?«
»Ich warne dich«, knurrte Cole drohend. Er war so wütend, dass er Narjana
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