Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
du mal probieren?«, fragt sie, weil sie weiß, dass ich es vermisse. Ich trinke einen Schluck aus ihrem Glas. Der Sauvignon explodiert süß, kalt und scharf auf meinem Gaumen und weckt Sehnsucht nach mehr. Ich schiebe ihr das Glas wieder hin, berühre dabei ihre Finger und frage mich, mit wem sie zuletzt eine Flasche Wein geteilt hat. War es Dirk? Und hat er den Klang ihrer Stimme geliebt, in dem so viele Sprachen schön klingen?
Julianne sieht mich kurz von der Seite an.
»Würdest du mich wieder heiraten, wenn du alles noch mal von vorne machen könntest?«
»Natürlich würde ich das. Ich liebe dich.«
Sie wendet den Blick Richtung Fluss, der in den Farben der Navigationslichter schimmert.
»Wo kam denn die Frage her?«
»Eigentlich von nirgendwo«, antwortet sie. »Ich habe mich bloß gefragt, ob du es bedauert hast, nicht ein bisschen länger gewartet zu haben. Du warst erst fünfundzwanzig.«
»Und du warst zweiundzwanzig. Das war egal.«
Sie trinkt noch einen Schluck und bemerkt meine Besorgnis. Sie drückt lächelnd meine Hand. »Guck nicht so. Ich fühle mich bloß alt, das ist alles. Manchmal blicke ich in den Spiegel und wünsche mir, ich wäre jünger. Dann fühle ich mich schuldig, weil ich so viel habe, wofür ich dankbar sein kann.«
»Du bist nicht alt. Du bist wunderschön.«
»Das sagst du immer.«
»Weil es wahr ist.«
Sie schüttelt hilflos den Kopf. »Ich weiß, dass ich nicht so eitel und ichbezogen sein sollte. Du bist derjenige, der alles Recht hätte, unsicher und bitter zu sein.«
»Ich bin überhaupt nicht bitter. Ich habe dich. Ich habe die Mädchen. Das ist genug.«
Sie mustert mich wissend. »Wenn das genug ist, warum hast du dich dann in diese Mordermittlung gestürzt?«
»Man hat mich gebeten.«
»Du hättest Nein sagen können.«
»Ich habe eine Gelegenheit gesehen zu helfen.«
»Ach, komm, Joe, du wolltest die Herausforderung. Du hast dich gelangweilt. Es hat dir nicht gefallen, mit Emma allein zu Hause zu hocken. Sei wenigstens ehrlich.«
Ich greife nach meinem Wasserglas. Meine Hand zittert. »Ich weiß, wie du bist, Joe«, fährt Julianne sanfter fort. »Du versuchst, Darcys Mutter im Nachhinein zu retten, aber das geht nicht. Sie ist tot.«
»Ich kann verhindern, dass eine andere dasselbe Schicksal erleidet.«
»Vielleicht. Du bist ein guter Mensch. Die Menschen liegen dir am Herzen. Darcy liegt dir am Herzen. Das liebe ich an dir. Aber du musst verstehen, warum ich Angst habe. Ich will nicht, dass du in die Sache verwickelt wirst, nicht nach dem letzten Mal. Du hast deinen Teil geleistet. Du hast deine Zeit geopfert. Von jetzt an kann jemand anderer der Polizei helfen.«
Ich sehe, wie die Gefühle ihre Augen überfluten, und will sie unbedingt glücklich machen.
»Ich habe nicht darum gebeten, in den Fall verwickelt zu werden. Es ist einfach passiert«, sage ich.
»Zufällig.«
»Genau. Und manchmal können wir Zufälle nicht einfach außer Acht lassen. So wie wir nicht an einem Unfall vorbeifahren
und einfach so tun können, als hätten wir nichts gesehen. Wir müssen stehen bleiben. Wir rufen einen Krankenwagen. Wir versuchen zu helfen …«
»Und dann überlassen wir die Sache den Fachleuten.«
»Was, wenn ich einer der Fachleute bin?«
Julianne runzelt die Stirn und presst die Lippen aufeinander. »Vielleicht muss ich nächste Woche nach Italien«, verkündet sie unvermittelt.
»Warum?«
»Es gibt Schwierigkeiten bei dem Verkauf des italienischen Fernsehsenders. Einer der internationalen Anteilseigner hält uns hin. Wenn wir keine neunzig Prozent Zustimmung kriegen, ist der Deal geplatzt.«
»Wann fliegst du?«
»Montag.«
»Mit Dirk.«
»Ja.« Sie klappt die Speisekarte auf. »Imogen ist ja jetzt da. Sie wird dir helfen, auf Emma aufzupassen.«
»Wie ist dieser Dirk so?«
Sie blickt nicht von der Speisekarte auf. »Eine Naturgewalt.«
»Was soll das heißen?«
»Er ist lebhaft und sehr direkt. Manche Leute finden ihn ätzend und rechthaberisch. Ich denke, er ist jemand, an den man sich gewöhnen kann.«
»Hast du dich an ihn gewöhnt?«
»Ich verstehe ihn besser als die meisten anderen. Er ist sehr gut in seinem Job.«
»Ist er verheiratet?«
Sie lacht. »Nein.«
»Was ist daran so komisch?«
»Die Vorstellung, dass Dirk verheiratet ist.«
Ich höre, wie sich der Stoff ihrer Strumpfhose reibt, als sie die Beine übereinanderschlägt. Ihr Blick ist nicht mehr auf die Speisekarte konzentriert. Sie ist irgendwo anders. Mir fällt
Weitere Kostenlose Bücher