Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
auf,
wie sehr sie sich verändert hat, seit sie arbeitet, wie unbeteiligt sie manchmal sein kann. Mitten in einem Gespräch scheint sie plötzlich tausend Meilen weit weg zu sein.
»Ich würde deine Kollegen gerne mal kennenlernen«, sage ich.
Ihr Blick findet zu mir zurück. »Wirklich?«
»Du klingst überrascht.«
»Ich bin überrascht. Du hast nie das geringste Interesse gezeigt.«
»Tut mir leid.«
»Am nächsten Samstag gibt es eine Feier - unser zehnjähriges Jubiläum. Ich hätte nicht gedacht, dass du mitkommen wolltest.«
»Warum nicht?«
»Ich habe dir schon vor Wochen davon erzählt.«
»Daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Eben.«
»Ich will mitkommen. Es wird bestimmt nett.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Wir können uns ein Hotelzimmer nehmen. Ein ganzes Wochenende daraus machen.«
Mein Fuß tastet unter dem Tisch nach ihrem, weniger sanft als beabsichtigt. Sie zuckt zurück, als hätte ich versucht, sie zu treten. Ich entschuldige mich und spüre, wie mein Herz vibriert. Nur dass es nicht mein Herz ist, sondern mein Handy.
Ich lege die Hand auf die Jackentasche und wünsche, ich hätte es ausgeschaltet. Julianne trinkt einen Schluck Wein und bemerkt mein Dilemma. »Willst du nicht drangehen?«
»Tut mir leid.«
Ihr Achselzucken ist nicht ambivalent oder offen für Interpretationen. Ich weiß, was sie denkt. Ich klappe mein Handy auf. Auf dem Display leuchtet DI Crays Nummer auf.
»Ja.«
»Wo sind Sie?«
»In einem Restaurant.«
»Sagen Sie mir die Adresse. Ich schicke einen Wagen.«
»Warum?«
»Maureen Bracken wird seit sechs Uhr heute Abend vermisst. Ihr Exmann hat die Haustür sperrangelweit offen vorgefunden. Ihr Wagen ist weg. Ihre Handynummer ist besetzt.«
Mein Herz schlägt bis zum Hals. »Wo ist ihr Sohn?«
»Zu Hause. Er ist zu spät vom Fußballtraining heimgekommen. Irgendjemand hat sein Handy geklaut. Als er noch einmal in der Umkleidekabine nachsehen wollte, ist er dort eingeschlossen worden.«
Mein brennender Blick geht direkt durch Julianne hindurch. DI Cray redet immer noch.
»Oliver Rabb versucht das Handy zu orten. Es sendet nach wie vor ein Signal.«
»Wo ist Bruno?«
»Ich habe ihm gesagt, er solle zu Hause warten für den Fall, dass seine Exfrau anruft. Ein Polizist ist bei ihm. Zehn Minuten, Professor. Warten Sie vor dem Eingang.«
Damit ist der Anruf beendet. Ich sehe Julianne an. Ihre Miene verrät nicht die geringste Spur ihrer Gedanken.
Ich erkläre ihr, dass ich wegmuss. Ich erkläre ihr, warum. Sie steht wortlos auf und holt ihren Mantel. Wir haben noch nicht bestellt. Wir haben noch nicht gegessen. Sie winkt nach der Rechnung und bezahlt den Wein.
Ich folge ihr durch das Restaurant, sehe die fließenden Bewegungen ihrer wiegenden Hüften unter ihrem Kleid, die in ein paar Schritten mehr sagen können als die meisten Menschen in einem stundenlangen Gespräch. Ich begleite sie zum Wagen. Sie steigt ein. Es gibt keinen Abschiedskuss. Ihre Miene ist eine unergründliche Mischung aus Enttäuschung und Trennung. Ich will ihr nachlaufen, den Augenblick zurückholen, aber es ist zu spät.
43
Ängste und Fantasien. Sie beginnen als ein kaum merkliches Zittern in mir, eine summende Klinge, die in das weiche, feuchte Gewebe schneidet und größere Höhlen öffnet, die immer noch nicht groß genug sind, um meiner Lunge zu erlauben, sich auszudehnen.
Ich habe mit Bruno gesprochen. Er ist ein anderer Mensch. Kleiner. Es ist nach Mitternacht. Maureen wird noch immer vermisst. Ihr Handy hat aufgehört zu senden. Oliver Rabb hat das erlöschende Signal bis zu einem Telefonmast am südlichen Rand des Victoria-Parks in Bath verfolgt. Polizisten durchkämmen die Straßen der Umgebung.
In dieser Geschichte fügen sich Zufälligkeiten und kleine Begebenheiten aneinander und komplizieren das Bild, anstatt es klarer zu machen. Die E-Mails. Das Wiedersehen. Gideon Tyler. Ich habe keinen konkreten Beweis dafür, dass er dahintersteckt. Ruiz hat seine letzte bekannte Adresse aufgesucht. Es war niemand zu Hause.
Veronica Cray hat zwei offizielle Anfragen mit der Bitte um Informationen an das Verteidigungsministerium gesandt, das sich nach wie vor ausschweigt. Wir wissen nicht, ob Tyler noch in der Army ist oder den Dienst quittiert hat. Wann hat er Deutschland verlassen? Wie lange ist er schon zu Hause? Was hat er seitdem gemacht?
Kurz nach fünf Uhr morgens wird Maureens Wagen in der Queen Street unweit der Tore des Victoria-Parks gefunden. Zwei auf steinernen
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