Delia 1 - Delia, die weisse Indianerin
Professor! Du hast uns beiden das Leben gerettet!“ Sie hob ihn hoch, streichelte ihn, drückte ihn fest an ihr Herz. Dann sah sie voll Entsetzen, dass ihr Kittel sich rot färbte. Das schwarze Fellchen ihres Mopses war an der Flanke aufgerissen, Blut sickerte heraus.
„Nicht schlimm“, sagte Akitu tröstend. „Ehrenvolle Verletzung für tapferen Krieger!“
Er lief in den Wald, kam nach wenigen Minuten mit einer Handvoll frischem Moos zurück und presste es auf die Wunde. „Hilft heilen“, sagte er.
Delia dachte, dass Akitu sie jetzt ins Dorf zurückbringen würde. Aber stattdessen führte der Indianerjunge sie zu einer kleinen Höhle, auf deren glattgestampftem Boden Asche früherer Feuer lag. Anscheinend war dies Akitus Unterschlupf im Wald.
„Setzen und ausruhen“, sagte er kurz, aber Delia war es, als hätte seit langer, langer Zeit niemand mehr so freundlich zu ihr gesprochen.
Sie gehorchte, ihren Mops auf dem Arm, dem sie das Moos immer wieder auf die Wunde presste. Akitu suchte dürre Zweige zusammen und machte ein Feuer. Dann enthäutete er einen Hasen, den er vorher geschossen hatte, nahm ihn aus und legte ihn auf die Glut. Mit übereinander geschlagenen Beinen hockte er sich neben Delia.
„Du hast mir Leben gerettet“, sagte er. „Ich dir Leben retten!“
„Willst du mir helfen zu fliehen?“ fragte Delia hoffnungsvoll.
Akitu schüttelte den Kopf. „Nein!“
„Aber dann ...“
Akitu ließ sie nicht aussprechen. „Wir wollen Blutsbrüder sein“, sagte er. „Mein Leben gehört dir – dein Leben mir! Willst du?“
„Ja“, sagte Delia, „ja ...“
Der Indianerjunge nahm sein Messer, ritzte sich in den Arm, ohne dabei seine Miene zu verziehen, und ließ das Blut in einen kleinen Holzbecher rinnen, den er aus seiner Felltasche geholt hatte.
„Jetzt du!“ sagte er und reichte Delia das Messer.
Es kostete sie Überwindung, es ihm nachzutun. Aber eine Freundschaft mit dem tapferen Akitu war schon ein Opfer wert. Sie biss die Zähne zusammen, um sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen, aber sie schaute doch lieber weg, als Akitu ihr Blut auffing.
Er nahm einen kleinen Schluck aus dem Becher und reichte ihn dann Delia. Auch sie trank. Es war nur wenig Blut darin, kaum dass sie einen süßlichen Geschmack auf der Zunge spürte.
„Jetzt wir sind Freunde fürs Leben“, sagte Akitu. „Nichts kann uns mehr trennen.“
Schweigend saßen sie nebeneinander und blickten in die schwelende Glut, in der der Hasenbraten schmorte.
„Du hast gesagt“, begann Delia nach einer Weile, „deine Stammesbrüder werden mich töten?“
„Das ist beschlossen“, erwiderte er dann. „Du tapferer kleiner Krieger, kommen an Marterpfahl. Große Ehre für dich!“
„Na, ich danke!“ rief Delia. „Auf diese Ehre kann ich verzichten!“
„Du, weißer Mann ... Ehre nicht verstehen!“ sagte Akitu vorwurfsvoll.
„Beim besten Willen nicht“, sagte Delia. „Und auch wenn es eine Ehre ist – ich will nicht gemartert werden! Möchtest du das? Ganz ehrlich, möchtest du schon sterben?“
„Viele Männer von meinem Stamm sind gestorben ohne Ehre. Wer im Kampf stirbt oder am Marterpfahl, geht ein in die ewigen Jagdgründe.“
„Aber ich will nicht sterben! Ich habe meine Mutter und meine Schwestern verlassen und bin nach Amerika gekommen, um meinen Vater zu finden! Ich muss meinen Vater suchen, verstehst du?“ sagte Delia verzweifelt. „Ich habe keine Zeit zum Sterben.“
„Akitu wird dir das Leben retten“, sagte der Indianerjunge. „Akitu dein Blutsbruder. Mein Leben für dein Leben.“
„Dann ist ja alles gut!“ rief Delia erleichtert.
„Akitu kann nur helfen, wenn weißer Bruder tapfer ist. Sonst nicht Ehre, sondern Verachtung.“
„Ich verstehe nicht ...“
„Du musst an den Marterpfahl. Aber sie werden dich nicht töten. Keine Angst. Tapfer sein.“
„Wenn ich weiß, dass du mich retten wirst, dann habe ich auch keine Angst“, sagte Delia.
„So ist gut“, sagte Akitu befriedigt. „Weißer Bruder hat mich verstanden. Jetzt wir werden essen.“
Der Hase war nicht gewürzt und auch nur halb durchgebraten. Dennoch verspeiste ihn Delia mit weit größerem Appetit als das Fleisch, das ihr die Indianermädchen im Dorf gegeben hatten.
Sie wusste, dass sie jetzt nicht mehr allein in einer feindlichen Welt stand, sondern einen wirklichen Freund gewonnen hatte.
Als Delia und Akitu sich dem Indianerdorf näherten, hörten sie von Weitem wilde Schreie. Delia glaubte, dass
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