Delia 3 - Delia im Wilden Westen
berechtigt war. „Das kann stimmen“, sagte sie. „Dann müssen die Squaws Kleider und Decken zu Riemen zerschneiden. Wir müssen so viele Lassos haben, wie Soldaten da sind, und noch einmal doppelt soviel für die Soldaten, die die Herde bewachen.“
„Viele Lassos“, sagte Akitu.
„Ja. So viele wie möglich. Die Iowanokas müssen lautlos kämpfen.“
„So sei es.“
Als die Nacht herabsank, sahen sie vor sich die Flammen riesiger Lagerfeuer zum Himmel schlagen. Es wurde deutlich, dass die Soldaten, die die Iowanokas bewachten, keinen Überfall fürchteten und keinen Grund sahen, sich und ihre Gefangenen zu verstecken.
Delia und Akitu ritten so nahe heran, wie sie konnten. Dann pflockten sie ihre Pferde an. Delia flocht für ihren Mops aus Binsen ein festes kleines Halfter, band ihn damit in der Nähe der Pferde an einen Busch. Diesmal durfte er wirklich nicht mit dabei sein, das wäre lebensgefährlich geworden und hätte womöglich den ganzen Plan umgeworfen.
Delia und Akitu schlichen sich auf die Lagerfeuer zu, jeder von einer anderen Seite. Es bedurfte keiner großen Kunst, unbemerkt an die Iowanokas heranzukommen. Die Soldaten rechneten offensichtlich mit nichts weniger, als einem Befreiungsversuch. Sie ritten auf und ab, das Gewehr auf dem Rücken. Aber da jeder eine Strecke von mindestens hundert Metern zu bewachen hatte, brauchte Delia nur zu warten, bis der Posten vorüber war. Dann lief sie geduckt zu den Indianern hin.
Sie erkannte sofort die vertrauten Gesichter, und doch, wie verändert wirkten sie! Die wenigen Tage der Gefangenschaft hatten den Stolz der freien Indianer gebrochen. Keiner von ihnen hatte mehr die aufrechte Haltung, die Delia früher so an ihnen bewundert hatte. Sie ließen die Schultern hängen, blickten stumpfsinnig vor sich hin. Sie wirkten erschöpft, müde, schmutzig.
Endlich entdeckte Delia ihre Indianerschwester Inona. Auch sie war nur noch ein Schatten des stolzen, edlen Mädchens, das sie gekannt hatte.
Delia stürzte auf sie zu. „Inona!“
Inona hob kurz den Kopf, aber in ihren dunklen Augen glomm kein Funken der Freude auf. Unter den umsitzenden Indianern entstand nicht die geringste Unruhe.
Delia schüttelte sie bei den Schultern. „Inona, sieh mich doch an! Ich bin es! Tapferes Eichhörnchen!“
Endlich öffnete das Indianermädchen die fest aufeinandergepressten Lippen. „Haben sie dich auch gefangen?“
„Aber nein, Inona! Akitu und ich, wir sind euch gefolgt, um euch zu befreien! Wo ist der Häuptling? Ich muss ihn sprechen!“
„Er ist heimgekehrt in die ewigen Jagdgründe“, sagte Inona dumpf.
„Und Grausame Schlange? Und Roter Geier?“
„Sind mit dem großen Häuptling in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Alle die mutigen jungen Krieger sind nicht mehr. Sieh dich um, Tapferes Eichhörnchen! Sieh dich um, was von dem stolzen Stamm der Iowanokas geblieben ist! Nur Kinder, Squaws und Greise!“
Delia stellte fest, dass tatsächlich nur noch wenige kampffähige Männer am Leben geblieben waren. „Akitu wird euer Häuptling sein“, sagte sie. „Inona, du darfst nicht den Mut verlieren!“ Plötzlich kam ihr ein Gedanke, der sie mit Erleichterung erfüllte. „Oder ... seid ihr bereit, in der Reservation zu leben? Wollt ihr gar nicht mehr zurück?“
Inona sah sie traurig an. „Wir müssen sterben ohne Freiheit!“
Ein Posten kam dicht an ihnen vorbei, aber er entdeckte nichts Auffallendes. Von dem, was die beiden Mädchen in der Sprache der Iowanokas miteinander redeten, verstand er kein Wort. Für ihn sahen alle Indianer gleich aus, und er hielt auch Delia in dem ungewissen Licht des flackernden Feuers für eine richtige Indianerin. Das Gewehr hatte sie, sobald sie sich neben Inona niedergelassen hatte, wohlweislich unter einer Decke versteckt.
„Dann wehrt euch“, flüsterte Delia eindringlich. „Ihr müsst um eure Freiheit kämpfen.“
„Wir haben keine Waffen.“
„Wir brauchen nur Lassos-, weiter nichts. Ihr müsst eure Decken und Kleider zu Riemen schneiden und aneinanderknüpfen. Es muss schnell gehen. Noch heute Nacht.“
„Die Bleichgesichter haben uns auch die Messer genommen.“
Delia zog ihr Jagdmesser aus dem Gürtel, gab es Inona. „Hier“, sagte sie, „nimm und mach dich an die Arbeit. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“
Sie lief geduckt weiter, von Gruppe zu Gruppe, mühte sich, die niedergedrückten und entschlusslosen Iowanokas anzufeuern. Sie spürte voller Bitterkeit, dass sie jeden Lebensmut
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