Delia 3 - Delia im Wilden Westen
an. Sie sagten kein Wort mehr, beide erkannten schmerzlich, dass dies ein Abschied für immer war.
„Du wirst immer die Tochter des Häuptlings bleiben“, sagte Akitu mit spröder Stimme.
„Ich werde meinen Blutsbruder nie vergessen!“
Wie gerne hätte Delia ihren Freund umarmt, ihm wenigstens die Hand gedrückt, aber nicht einmal das durfte sie. Der Indianer hätte dafür kein Verständnis gehabt. Aber der Blick seiner schwarzen Augen war voller Zärtlichkeit.
Dann wandte er sich ab, schlug seinem Pferd die Hacken in die Weichen.
„Grüß Inona“, rief Delia ihm noch nach. „Grüß die anderen von mir … grüß alle! Und viel Glück!“
Er drehte sich nicht noch einmal um. Langsam wandte sie sich ab. Tränen standen in ihren Augen. Sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Sie war allein.
Eine kleine, feuchte Schnauze stieß gegen ihre Hand: Der Professor machte sich bemerkbar. Empfand er die Trauer seiner kleinen Herrin? Jedenfalls sprang er an ihr hoch und umtanzte sie, als wenn er sagen wollte: „Sieh her, ich bin ja noch da! Ich, dein allerbester Freund!“
Delia beugte sich zu dem kleinen Hund, nahm ihn auf die Arme. „Ja“, sagte sie. „Du bist mein lieber Mops, du bist der Treueste der Treuen! Du wirst mich nie verlassen, nicht wahr? Niemals!“
„Wau“, machte der Professor, und noch einmal: „Wau!“
Das hieß in der Mopsensprache: „Niemals, worauf du dich verlassen kannst!“
Delia spürte das Hundeherzchen pumpern und war schon ein bisschen getröstet. Sie schwang sich aufs Pferd, ritt in den hellen Tag hinein.
Sie hatte ihren Freund verloren, aber ihre Freiheit wiedergewonnen. Neue Hoffnung erfüllte ihr Herz.
Delia ritt unverdrossen, bis in den späten Abend hinein. Es kam ihr darauf an, soviel Raum wie möglich zwischen sich und dem Schauplatz der Indianerbefreiung zu bringen. Jeder menschlichen Behausung und auch dem nächsten Fort wich sie wohlweislich aus.
Um die entwaffneten Soldaten machte sie sich keine Sorgen. Es waren starke, gesunde Männer, die sich allein und gegenseitig helfen konnten. Viel mehr dachte sie über Akitu und die Iowanokas nach. Der Sohn des Häuptlings hatte seinem Volk die Freiheit wiedergegeben. Aber wozu würde er sie nützen? Würde er die Iowanokas, wenn sie sich erst wieder von ihrem letzten Kampf erholt hatten, in neue Kriege und Raubzüge führen? Sie wünschte ihnen von Herzen Glück und Frieden, und doch! Sie wusste, dass sie ihnen nicht mehr helfen konnte.
Kurz vor Sonnenuntergang fand sie einen guten Platz zum Rasten, ganz in der Nähe einer Quelle. Sie tränkte ihr Pferd, ließ den Mops, der nicht an das Wasser herankam, aus ihrer hohlen Hand trinken, trug Äste und Zweige für ein kleines Feuer zusammen. Sie wählte dafür eine sandige Stelle, denn sie wusste, wie leicht die Flammen sonst auf das Gras der Prärie übergreifen konnten.
Zum Glück hatte sie noch ein Stück Fleisch für sich, sodass sie nicht zu jagen brauchte. Sie briet es über dem Feuer, teilte es redlich mit dem Mops. Ihr Mustang tat sich derweil an Gras und Kräutern gütlich.
Ein fahler Mond stieg am Himmel auf, die Sterne blitzten und funkelten und schienen, wie Lichter eines Christbaumes, zum Greifen nahe. Es war eine milde, schöne Nacht, und dennoch, Delia fand keinen Schlaf.
Sie fühlte sich so furchtbar verlassen. Wie sehr hatte sie sich manchmal früher in Schönau danach gesehnt, einmal tun und lassen zu können, was sie selber wollte, sich nach niemandem richten zu müssen. Jetzt, da sie wirklich frei war, frei wie ein Vogel in der Luft, schien ihr das völlig witzlos. Sie zog ihre Mundharmonika aus dem Lederbeutel, den Inona ihr genäht hatte, und spielte leise wehmutsvolle Weisen vor sich hin.
Wie herrlich wäre es gewesen, wenn sie sich jetzt durch einen Zauber — eins, zwei, drei! — nach Hause hätte zurückversetzen können! Wenn alles, was sie seit ihrer Flucht auf dem Weg zum Pensionat erlebt hatte, nur ein Traum gewesen wäre!
Aber es war Wirklichkeit, harte, unerbittliche Wirklichkeit. Sie war mutterseelenallein auf der weiten Prärie im riesigen Amerika. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, welche Gefahren sie von allen Seiten bedrohten. Unwillkürlich zog sie ihr Gewehr griffbereit neben sich.
Doch weder das Bewusstsein, eine gute Waffe zu haben, noch die Gegenwart ihres treuen kleinen Hundes konnten sie diesmal trösten. Delia fühlte sich mutlos, so mutlos wie nie zuvor.
Und dann plötzlich wurde ihr klar, dass alles ganz
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