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Delia, die weisse Indianerin

Delia, die weisse Indianerin

Titel: Delia, die weisse Indianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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reichte ihr die bestickte Reisetasche nach, dann fiel die Tür zu. Delia hatte sich kaum gesetzt, da ruckte die Kutsche schon an, und die Pferde setzten sich in Trab.
    Delia presste das Näschen gegen die Scheibe. Ihr war sterbenselend zumute, und sie wollte nicht, dass die anderen Reisenden ihren Schmerz miterlebten.

Der Postillion auf dem Bock blies in sein Horn. Schönaus Mauern, Türme und Dächer wurden immer kleiner und ferner, bis sie schließlich ganz verschwunden waren.
    Delia starrte immer noch zum Fenster hinaus, obwohl sie tatsächlich gar nichts sah. Ihre Augen waren blind für die frühlingsgrüne, romantische Landschaft. Sie war ganz mit sich und ihrem Kummer beschäftigt.
    Sie zuckte zusammen und wandte sich um, als jemand ihr aufs Knie tippte. Es war ein hagerer, älterer Herr, der ihr gerade gegenübersaß. Delia sah ihn erstaunt an.
    „Demoiselle“, sagte der Herr, „in Ihrem Korb bewegt sich was!“
    Delia blickte auf den Korb. „Bestimmt nicht!“ sagte sie. „Es ist doch nur mein Proviant drin!“
    „Der Deckel hat sich aber bewegt!“
    „Ich sehe nichts!“
    „Jetzt nicht mehr, doch vor ein paar Sekunden! Vielleicht ist eine Maus hineingeschlüpft!“
    Die Damen in der Kutsche begannen zu kreischen und zogen ihre Füße hoch.
    „Na so etwas“, sagte Delia, „wie kann man nur vor einer kleinen Maus Angst haben! Außerdem ist gar keine drin!“
    Sie öffnete den Korb, und – das dunkle, freundliche, runde Gesicht ihres Mopses blickte ihr entgegen. Er streckte sich, als wenn er geschlafen hätte, streckte die lange, rosa Zunge heraus und machte sein allerunschuldigstes Hundegesicht.
    „Professor!“ schrie Delia entgeistert. „Du?“
    Der Mops begriff, dass sein Frauchen ihm nicht böse war und auch nicht mit ihm schimpfen würde. Mit einem Satz war er aus dem Korb und auf Delias Schoß, versuchte, ihr das Gesicht abzuschlecken.
    „Lass das, Professor“, sagte Delia, die nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte. „So was tut ein braver Hund nicht! Platz!“ Sie schlang beide Arme um den Mops und drückte ihre Wange fest an sein kurzes, weiches Fell.
    „O Professor“, sagte sie überwältigt, „du hast mich nicht allein gelassen. Du bist doch der Treueste der Treuesten! Und ich habe dich überall gesucht – überall, und nirgends warst du zu finden! Wenn ich geahnt hätte, dass du schon in der Kutsche warst!“
    Zum Glück waren alle Mitreisenden tierlieb, besser gesagt: mopsenfreundlich. Keiner ärgerte sich über den uneingeladenen Fahrgast – im Gegenteil. Eine dicke, ältere Dame versuchte unentwegt, den Professor mit Zuckerwerk und Schokolade zu füttern, bis Delia energisch abwehrte.
    „Nicht so viel, bitte, Madame!“ sagte sie. „Er wird zu dick davon, und außerdem könnte ihm schlecht werden!“
    Aber es war nicht der Mops, sondern Delia, die die Fahrt nicht vertrug. Es war sehr eng im Inneren der Kutsche, denn sie war voll besetzt. Die Fenster waren trotz des warmen Frühlingswetters fest geschlossen, weil die Damen sich vor Zugluft fürchteten. Dazu rumpelte und pumpelte die Postkutsche über die holprigen Wege, dass die Passagiere hinauf und hinunter und gegeneinander geschleudert wurden.
    Delia wurde es immer flauer im Magen. Sie atmete tief durch, doch die verbrauchte Luft brachte ihr keine Erleichterung. Ihr war sterbenselend.
    Zum Glück merkte das der ältere Herr, der ihr gegenübersaß. „Sie sind ja ganz blass geworden, Demoiselle“, sagte er. „Fühlen Sie sich nicht wohl?“
    „Nicht ganz“, sagte Delia mit gepresster Stimme.
    Der Herr klopfte mit dem silbernen Griff seines schön gedrechselten Spazierstocks gegen die vordere Wand, dorthin, wo der Kutscher saß. „Anhalten, Herr Postillion!“ rief er. „Anhalten!“
    Mit einem Ruck blieb die Kutsche stehen. Der ältere Herr öffnete Delia die Tür. Sie setzte ihren Mops zu Boden und kletterte hinaus, der Professor sprang ihr nach.
    Als sie ihre Lungen erst einmal wieder mit frischer, reiner Luft gefüllt hatte, wurde ihr besser. Sie hatte sogar eine Idee.
    „Herr Postillion“, sagte sie, „darf ich mich zu Ihnen auf den Bock setzen?“
    Der Postillion, ein stattlicher Mann in einer prächtigen blauen Uniform mit blanken Silberknöpfen, lächelte freundlich. „Gern, Fräuleinchen – wenn Sie mir versprechen, nicht hinunterzufallen!“
    „Wo werd’ ich denn!“ entgegnete Delia, und eins, zwei, drei war sie vorn auf den Kutschbock geklettert.
    Der Postillion wollte schon mit der

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