Delikates zum Dessert
geöffnet hat. Ein Wiedersehen mit alten Freunden und den Eltern steht bevor. Sie müsste bester Dinge sein, voller Heimatgefühle und in Vorfreude auf ein herrliches Sommerwochenende, und doch fühlt sie sich erbärmlich. Unheil braut sich zusammen. Kurz vor Kirchdorf steuert sie den Wagen mitten in einer Allee an den Straßenrand, macht den Motor aus, legt den Kopf aufs Lenkrad und versucht durchzuatmen. Diese Hochzeit kann nur zum emotionalen GAU werden.
Melanie, von ihren norddeutschen Freunden wegen ihres üppigen Busens „Mel T“ genannt – von t wie „tits“ –, reist heute als Trauzeugin ihrer besten Freundin Imke an. Imke gibt Henning in einer Stunde das Jawort. Der Gedanke an den Trauzeugen des Bräutigams verknotet Melanie den Magen: Ausgerechnet ihr Exfreund Karsten, der Prototyp eines Bindungsneurotikers, soll die Eheschließung bezeugen. Mel hat ihn seit der Trennung vor zwei Jahren nicht mehr gesehen.
Imke, Melanie und Henning waren Sandkastenfreunde und hatten ihre Kindheit hier im Süden von Bremen verbracht. Irgendwann in frühen Jahren, es mag nach einer erfolgreichen Kaulquappenaufzucht gewesen sein, entschloss man sich, gemeinsam einen akademischen Grad auf dem Gebiet der Biologie anzustreben. Viele Jahre später zogen sie zu dritt mit allerlei Ambitionen zum Studium nach Hamburg.
Als das Semester begann, war es kein Lehrkörper, sondern der Typ aus der Nachbar-WG, ein Chemiker, der Mels Aufmerksamkeit fesselte: Meerblaue Augen, ein stahlharter Arsch und ein ellenlanger Schwanz brachten sie um Schlaf und Verstand. Allein das Studium von Karstens primären Geschlechtsorganen verlangte ihr monatelang größte Aufmerksamkeit ab. Ohne satt zu werden, bewegte sie sich unterhalb seines Bauchnabels auf und ab.
Es war Karstens Erregungskurve, die plötzlich steil abfiel. Eines Tages war für ihn „der Reiz des Neuen irgendwie verflogen“. Der Wissenschaftler in ihm wollte sich wohl ein möglichst breit gefächertes Wissen über die sexuellen Reaktionen seiner Umwelt verschaffen. Er wandte sich einem anderen, einem brünetten Element zu.
Für Melanie war die Erfahrung, wie schnell stabil geglaubte biochemische Verbindungen abreißen können, schmerzlich. Kurz entschlossen schrieb sie sich an der Uni Regensburg ein und verkroch sich damit in eine Gegend, die so weit weg von ihren geliebten Hansestädten lag, wie ihr Knödel verhasst waren. Doch Hauptsache, sie musste diesem Herzensbrecher nicht mehr über den Weg laufen! Und die Kerle in der Fremde? Fad wie ein Weißbier vom Vortag, erregend wie die örtliche Blaskapelle und ein Stehvermögen wie eine ausgezuzelte Weißwurst …
Melanie lässt den Motor wieder an und bringt die restlichen Kilometer hinter sich. Von Imke weiß sie, dass Karsten mit seiner neuen Flamme Silke auf die Feier kommen wird. Sie soll ein Püppchen-Albtraum mit asiatischem Einschlag sein. Ein Blick in den Rückspiegel überzeugt Mel, dass sie die richtigen Vorkehrungen für diesen Angriff auf ihr Selbstbewusstsein getroffen hat. Sie hat die Operation „Phönix aus der Asche“ millimetergenau vorbereitet: Ihr Make-up ist ein Meisterwerk. Das Haar trägt sie kurz, schwarz und glänzend wie Panterfell. Mel parkt den Wagen und schreitet auf das Standesamt zu. Sie riecht betörend und wiegt sich in den Hüften. Der Minirock mit dem Perlensaum und das dazu passende Shirt umschmeicheln ihre Kurven. String und BH sind purpurfarben. Ihre Muschi ist total rasiert – sie weiß, worauf Karsten steht. Das wird dir noch leidtun! Auf den Knien wirst du angekrochen kommen und um Gnade winseln!
Doch Phönix versinkt augenblicklich in Schutt und Asche. Der Anblick von Karsten reißt eine Wunde in Mel auf, die so groß ist wie der Popocatepetl. Ihr Ex lehnt lachend an einem Treppengeländer im Foyer, unterhält die Umstehenden und ist gewohnt wunderbar. Der schwarze Zwirn so gut geschnitten, das blonde Haar so präzise verstrubbelt, der Blick so smart, der Zug um den Mund so sexy, dass alle potenziellen Schwiegermütter der Hochzeitsgesellschaft an seinen Lippen hängen. Der Vulkan spuckt Lava auf Melanie. Ihre Innereien verschmoren und ihr Schoß verglüht.
Vor dem Zimmer, in dem Unterschriften geleistet, Willen bekundet und bezeugt werden sollen, passiert das Unvermeidliche: Melanie steht Karsten Auge in Auge gegenüber.
„Mel T!“, ruft er, als wäre er überrascht, sie hier anzutreffen. „Na, was macht die Kunst?“ Dann stellt er ihr ohne Verzögerung die
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