Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
arbeiten muss, dürfte Carol relativ einfach davon zu überzeugen sein, dass ich bei Hana übernachten darf. Alex geht die Hauptpunkte des Plans mit mir durch. Die Grenze zu überqueren ist nicht unmöglich, aber kaum jemand riskiert es. Wahrscheinlich weil diese ganze Darauf-steht-die-Todesstrafe-Sache nicht gerade attraktiv ist.
    Ich habe keine Ahnung, wie wir es je über den Elektrozaun schaffen sollen, aber Alex erklärt mir, dass nur einzelne Abschnitte wirklich unter Strom stehen. Den Zaun über kilometerweite Strecken mit Strom zu versorgen wäre zu teuer, daher sind nur relativ wenige Stücke des Zauns »online«. Der restliche Zaun ist nicht gefährlicher als der um den Spielplatz im Deering Oaks Park. Aber solange alle glauben , dass durch das ganze Ding genug Kilowatt fließen, um einen Menschen zu braten wie ein Spiegelei in der Pfanne, erfüllt der Zaun seinen Zweck trotzdem.
    Â»Alles nur Schall und Rauch«, sagt Alex und macht eine vage Handbewegung. Ich vermute, er meint Portland, die Gesetze, vielleicht die ganzen USA . Wenn er ernst wird, bildet sich eine kleine Kerbe zwischen seinen Augenbrauen, ein winziges Komma, und das ist das Süßeste, was ich je gesehen habe. Ich versuche mich trotzdem weiter zu konzentrieren.
    Â»Ich verstehe immer noch nicht, woher du das alles weißt«, sage ich. »Ich meine, wie habt ihr das rausgekriegt? Habt ihr einfach Leute an bestimmten Stellen gegen den Zaun laufen lassen und abgewartet, ob sie geröstet werden?«
    Alex lächelt sanft. »Betriebsgeheimnis. Aber ich kann dir verraten, dass es gewisse Beobachtungen und Experimente gab, bei denen Wildtiere eine Rolle spielten.« Er hebt die Augenbrauen. »Schon mal gebratenen Biber gegessen?«
    Â»Iih.«
    Â»Oder gebratenes Stinktier?«
    Â»Jetzt willst du bloß, dass ich mich richtig ekele.«
    Es gibt mehr von uns, als du denkst – das ist noch einer von Alex’ Lieblingssätzen, ständig sagt er das. Überall Sympathisanten, ungeheilte und geheilte, die als Aufseher, Polizisten, Regierungsbeamte, Wissenschaftler arbeiten. So werden wir an den Wachhäuschen vorbeikommen, erklärt er mir. Eine der aktivsten Sympathisantinnen Portlands ist mit dem Wachmann verheiratet, der die Nachtschicht am nördlichen Ende der Tukey’s Bridge hat, genau dort, wo wir die Grenze überqueren wollen. Alex und sie haben ein Zeichen vereinbart. In Nächten, in denen er über die Grenze will, wirft er einen bestimmten Handzettel in ihren Briefkasten, eine dieser dämlichen Kopien, die vom Pizza-Service oder von der Reinigung verteilt werden. Ein Angebot für eine kostenlose Augenuntersuchung bei einem gewissen Dr. Sindliw (was ich ziemlich offensichtlich finde, aber Alex meint, die Widerstandskämpfer und Sympathisanten stehen ständig unter solchem Druck, dass man ihnen ihre kleinen Privatwitze schon gönnen muss). Immer wenn sie den Zettel findet, schüttet sie ihrem Mann eine extragroße Dosis Valium in den Kaffee, den sie ihm für seine Schicht kocht.
    Â»Armer Kerl«, sagt Alex grinsend. »Egal, wie viel Kaffee er trinkt, er bleibt einfach nicht wach.« Ich merke, wie viel ihm die Widerstandsbewegung bedeutet und wie stolz er darauf ist, dass es sie gibt, dass sie stark ist, floriert und ihre Arme in Portland ausstreckt. Ich versuche zu lächeln, aber meine Wangen fühlen sich steif an. Es übersteigt immer noch meine Vorstellungskraft, dass alles, was ich gelernt habe, völlig falsch ist, und es fällt mir schwer, die Sympathisanten und Widerstandskämpfer als Verbündete und nicht als Feinde zu sehen.
    Aber wenn ich mich nun über die Grenze schleiche, werde ich ohne jeden Zweifel zu einer von ihnen. Gleichzeitig kann ich jetzt nicht mehr ernsthaft erwägen, einen Rückzieher zu machen. Ich will ja gehen; und muss mir eingestehen, dass ich schon vor langer Zeit zur Sympathisantin geworden bin, als Alex mich gefragt hat, ob ich mich mit ihm bei Back Cove treffen wolle, und ich Ja gesagt habe. Ich habe nur noch vage Erinnerungen an das Mädchen, das ich vorher war – das Mädchen, das immer tat, was man ihm sagte, nie log und das, wenn es die Tage bis zu seinem Eingriff zählte, Aufregung verspürte statt Entsetzen und Panik. Das Mädchen, das vor allem und jedem Angst hatte. Das Mädchen, das Angst vor sich selbst hatte.
    Als ich am nächsten Tag aus dem Laden komme, frage ich

Weitere Kostenlose Bücher