Delirium
fühlt sich irgendwie nicht richtig an, darüber so beiläufig im Liegen zu reden, deshalb setze ich mich auf der Decke auf. Die Grenze zu überqueren ist ein schweres Verbrechen, das mit dem Tod bestraft wird. Und obwohl ich weiÃ, dass Alex es manchmal noch tut, war mir das Ausmaà des Risikos bis jetzt gar nicht richtig bewusst. »Es geht nicht«, sage ich, fast flüsternd. »Es ist unmöglich. Der Zaun â und die Wachen â und die Gewehre â¦Â«
»Ich hab dir doch gesagt, überlass das mir.« Er setzt sich auch auf, streckt beide Arme aus und nimmt kurz mein Gesicht in seine Hände, lächelt. »Alles ist möglich, Lena«, sagt er, einer seiner Lieblingssätze. Die Angst lässt nach. Ich fühle mich so sicher neben ihm. Ich kann nicht glauben, dass irgendetwas Schlimmes geschehen kann, wenn wir zusammen sind. »Ein paar Stunden«, sagt er. »Damit du weiÃt, wie es da ist.«
Ich sehe weg. »Ich weià nicht.« Meine Kehle ist wie ausgedörrt; die Wörter zerren auf ihrem Weg nach drauÃen an meinem Hals.
Alex beugt sich vor, küsst mich kurz auf die Schulter und legt sich wieder hin. »Schon okay«, sagt er, als er einen Arm über die Augen legt, um sie vor der Sonne abzuschirmen. »Ich dachte nur, du wärst vielleicht neugierig, das ist alles.«
»Ich bin neugierig. Aber â¦Â«
»Lena, es ist okay, wenn du nicht gehen willst. Im Ernst. War nur ein Vorschlag.«
Ich nicke. Obwohl meine Beine klebrig sind vom SchweiÃ, ziehe ich sie an die Brust. Ich bin unglaublich erleichtert, aber auch enttäuscht. Mir fällt plötzlich ein, wie Rachel mich einmal dazu herausforderte, am Willard Beach einen Kopfsprung rückwärts vom Pier zu machen, und ich stand zitternd an der Kante und traute mich nicht zu springen. SchlieÃlich lieà sie mich in Ruhe, beugte sich vor und flüsterte: »Schon okay, Lena-Spinner. Du bist halt noch nicht so weit.« Ich hatte nichts dringender gewollt, als von der Kante des Piers wegzukommen, aber auf dem Weg zurück zum Strand fühlte ich mich elend und schämte mich.
Da wird es mir bewusst. »Ich will doch hin«, sage ich entschlossen.
Alex nimmt seinen Arm herunter. »Wirklich?«
Ich nicke, wage es nicht, die Worte zu wiederholen. Ich habe Angst, dass ich sie zurücknehmen könnte, wenn ich den Mund aufmache.
Alex setzt sich langsam auf. Ich hätte gedacht, er würde sich freuen, aber er lächelt nicht. Er knabbert nur an seiner Lippe und dreht den Kopf zur Seite. »Es bedeutet, gegen die Ausgangssperre zu verstoÃen.«
»Es bedeutet, gegen eine Menge Regeln zu verstoÃen.«
Da sieht er mich an und sein Gesicht ist so besorgt, dass es mir bis ins Mark fährt. »Hör zu, Lena.« Er blickt zu Boden und sortiert den Haufen aus abgebrannten Streichhölzern, den er fabriziert hat, legt sie ordentlich nebeneinander. »Vielleicht ist es doch keine so gute Idee. Wenn wir geschnappt werden â ich meine, wenn du geschnappt wirst â¦Â« Er atmet hörbar ein. »Ich meine, wenn dir irgendetwas passieren würde, könnte ich mir das nie verzeihen.«
»Ich vertraue dir«, sage ich und meine es hundertfünfzigprozentig.
Er sieht mich immer noch nicht an. »Ja, aber ⦠Auf illegalen Grenzübertritt steht â¦Â« Er holt erneut tief Luft. »Auf illegalen Grenzübertritt steht die â¦Â« Im letzten Moment kann er nicht Todesstrafe sagen.
»Hey.« Ich stupse ihn sanft an. Es ist unglaublich, wie man das Gefühl haben kann, dass sich jemand so um einen kümmert, und gleichzeitig würde man für die Chance, ihn ebenso zu beschützen, sterben oder alles geben. »Ich kenne die Regeln. Ich lebe schon länger hier als du.«
Da lächelt er. Er stupst mich zurück. »Kaum.«
»Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Du bist erst später verpflanzt worden.« Ich stupse ihn wieder, etwas fester, und er lacht und versucht meinen Arm festzuhalten. Ich entwinde mich ihm kichernd und er streckt die Hand aus, um mich am Bauch zu kitzeln. »Landei!«, quieke ich, als er mich packt und mich lachend auf die Decke drückt.
»GroÃstadtsnob«, sagt er und rollt sich über mich. Dann küsst er mich. Alles löst sich auf: Hitze, Farbexplosionen, Schweben.
Wir verabreden uns für den nächsten Abend, einen Mittwoch, bei Back Cove; da ich bis Samstag nicht
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