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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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grünliche rollende Licht. Ich hob das Gewehr trotz der Dunkelheit, zielte, so gut es gehen wollte, und drückte ab.
    Ein gräßlicher Laut durchzitterte die Luft. Der Blitz meines Schusses hatte dem Löwen seinen Feind gezeigt; auch ich hatte ihn gesehen, der auf dem Rücken eines Kameles lag und den Halswirbel desselben mit seinen Zähnen zermalmte. Hatte ich ihn getroffen? Ein großer dunkler Gegenstand schnellte durch die Luft und kam höchstens drei Schritte vor mir auf den Boden nieder. Die Lichter funkelten abermals. Entweder war der Sprung schlecht berechnet gewesen, oder das Tier war doch verwundet. Ich kniete noch fast im Anschlage und drückte den zweiten und letzten Schuß los, nicht mitten zwischen die Augen, sondern gerade mitten in das eine Auge hinein. Dann ließ ich die Büchse blitzschnell fallen und nahm das Messer zur Hand – der Feind kam nicht über mich; er war von dem tödlichen Schusse förmlich zurückgeworfen worden. Trotzdem aber zog ich mich einige Schritte zurück, um wieder zu laden. Ringsum herrschte Stille; auch im Lager war kein Hauch zu hören. Man hielt mich wohl für tot.
    Sobald aber der schwächste Schimmer des Tages den Körper des Löwen einigermaßen erkennen ließ, trat ich hinzu. Er war tot, und nun machte ich mich daran, ihn aus der Haut zu schälen. Ich hatte meine Gründe, nicht lange damit zu warten. Es fiel mir gar nicht ein, diese Trophäe zurückzulassen. Die Arbeit ging mehr nach dem Gefühle als nach dem Gesichte vor sich, war aber doch beendet, als der Morgenschimmer etwas kräftiger wurde.
    Jetzt nahm ich das Fell, schlug es mir über die Schulter und kehrte in das Lager zurück. Es war jedenfalls nur ein kleines Zweiglager der räuberischen Abu Hammed. Die Männer, Frauen und Kinder saßen erwartungsvoll vor ihren Zelten. Als sie mich erblickten, erhob sich ein ungeheurer Lärm. Allah wurde in allen Tönen angerufen, und hundert Hände streckten sich nach meiner Beute aus.
    »Du hast ihn getötet?« rief der Scheik. »Wirklich? Allein?«
    »Allein!«
    »So hat dir der Scheïtan beigestanden!«
    »Steht der Scheïtan einem Hadschi bei?«
    »Nein; aber du hast einen Zauber, ein Amulet, einen Talisman, mit Hilfe dessen du diese That vollbringst?«
    »Ja.«
    »Wo ist er?«
    »Hier!«
    Ich hielt ihm die Büchse vor die Nase.
    »Das ist es nicht. Du willst es uns nicht sagen. Wo liegt der Körper des Löwen?«
    »Draußen rechts vor den Zelten. Holt ihn euch!«
    Die meisten der Anwesenden eilten fort. Das hatte ich gewünscht.
    »Wem gehört die Haut des Löwen?« frug der Scheik mit lüsternem Blick.
    »Darüber wollen wir in deinem Zelte beraten. Tretet ein!«
    Alle folgten mir; es waren wohl nur zehn oder zwölf Männer da. Gleich beim Eintritt erblickte ich meine anderen Waffen; sie hingen an einem Pflock. Mit zwei Schritten stand ich dort, riß sie herab, warf die Büchse über die Schulter und nahm den Stutzen in die Hand. Die Löwenhaut war mir infolge ihrer Größe und Schwere sehr hinderlich; aber es mußte doch versucht werden. Rasch stand ich wieder unter dem Eingang des Zeltes.
    »Zedar Ben Huli, ich habe dir versprochen, mit dieser Büchse nur auf den Löwen zu schießen – – –«
    »Ja.«
    »Aber auf wen ich mit diesem anderen Gewehr schießen werde, das habe ich nicht gesagt.«
    »Es gehört hierher. Gieb es zurück.«
    »Es gehört in meine Hand, und die wird es behalten.«
    »Er wird fliehen – haltet ihn!«
    Da erhob ich den Stutzen zum Schuß.
    »Halt! Wer es wagt, mich zu hindern, der ist eine Leiche! Zedar Ben Huli, ich danke dir für die Gastfreundschaft, welche ich bei dir genossen habe. Wir sehen uns wieder!«
    Ich trat hinaus. Eine Minute lang wagte es keiner, mir zu folgen. Diese kurze Zeit genügte, den Rappen zu besteigen und die Haut vor mich hinzunehmen. Als sich das Zelt wieder öffnete, galoppierte ich bereits am letzten Zelte vorbei.
    Hinter mir und zur Seite, wo der Körper des Löwen lag, erscholl ein wütendes Geschrei, und ich bemerkte, daß alle zu den Waffen und zu den Pferden rannten. Als ich das Lager hinter mir hatte, ritt ich nur im Schritte. Der Rappe scheute vor dem Felle; er konnte den Geruch des Löwen nicht vertragen und schnaubte ängstlich zur Seite. Jetzt blickte ich rückwärts und sah die Verfolger zwischen den Zelten förmlich hervorquellen. Nun ließ ich den Hengst traben, und erst als der vorderste Verfolger in Schußweite gekommen war, wollte ich den Rappen weiter ausgreifen lassen; ich besann mich aber

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