Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
genug, und daher war dir unsere Gastfreundschaft nicht angenehm. Wer bist du?«
Ich antwortete natürlich nicht.
»Wer du bist?«
Ich schwieg, trotzdem er seine Frage mit einem Fußtritte begleitete.
»Laß ihn,« meinte der andere. »Allah wird Wunder thun und ihm den Mund öffnen. Soll er reiten oder gehen?«
»Gehen!«
Sie lockerten mir die Riemen um die Beine und banden mich an den Steigbügel des einen Pferdes. Dann nahmen sie meinen Rappen beim Zügel und – fort ging es, scharf nach Osten. Ich war trotz meines guten Pferdes ein Gefangener. Der Mensch ist oft ein sehr übermütiges Geschöpf!
Das Terrain erhob sich nach und nach. Wir kamen zwischen Bergen hindurch, und endlich sah ich aus einem Thale mehrere Feuer uns entgegenleuchten. Es war nämlich mittlerweile Nacht geworden. Wir lenkten in dies Thal ein, kamen an mehreren Zelten vorüber und hielten endlich vor einem derselben, aus welchem in diesem Augenblick ein junger Mann trat. Er sah mich und ich ihn – wir erkannten einander.
»Allah il Allah! Wer ist dieser Gefangene?« fragte er.
»Wir fingen ihn draußen in der Ebene. Er ist ein Fremder, der uns keine Tharbringen wird. Sieh dieses Tier an, welches er ritt!«
Blutrache.
Der Angeredete trat zu dem Rappen und rief erstaunt:
»Allah akbar, das ist ja der Rappe von Mohammed Emin, dem Haddedihn! Führt diesen Menschen hinein zu meinem Vater, dem Scheik, daß er verhört werde. Ich rufe die andern zusammen.«
»Was thun wir mit dem Pferde?«
»Es bleibt vor dem Zelte des Scheik.«
»Und seine Waffen?«
»Werden in das Zelt gebracht.«
Eine halbe Stunde später stand ich abermals vor einer Versammlung, aber vor einer Versammlung von – Richtern. Hier konnte mein Schweigen nichts nützen, und ich beschloß daher, zu sprechen.
»Kennst du mich?« fragte der Älteste der Anwesenden.
»Nein.«
»Weißt du, wo du dich befindest?«
»Nein.«
»Kennst du diesen jungen, tapferen Araber?«
»Ja.«
»Wo hast du ihn gesehen?«
»Am Dschebel Dschehennem. Er hatte mir vier Pferde gestohlen, welche ich mir wieder holte.«
»Lüge nicht!«
»Wer bist du, daß du so zu mir sprichst?«
»Ich bin Zedar Ben Huli, der Scheik der Abu Hammed.«
»Zedar Ben Huli, der Scheik der Pferderäuber!«
»Mensch, schweig! Dieser junge Krieger ist mein Sohn.«
»Du kannst stolz auf ihn sein, o Scheik!«
»Schweig, sage ich dir abermals, sonst wirst du es bereuen. Wer ist ein Pferderäuber? Du bist es! Wem gehört das Pferd, welches du geritten hast?«
»Mir.«
»Lüge nicht!«
»Zedar Ben Huli, danke Allah, daß mir die Hände gebunden sind. Wenn das nicht wäre, so würdest du mich niemals wieder einen Lügner heißen!«
»Bindet ihn fester!« gebot er.
»Wer will sich an mir vergreifen, an dem Hadschi, in dessen Tasche sich das Wasser des Zem-Zem befindet!«
»Ja, ich sehe, du bist ein Hadschi, denn du hast das Hamaïl umhangen. Aber hast du wirklich das Wasser des heiligen Zem-Zem bei dir?«
»Ja.«
»Gieb uns davon.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich trage das Wasser nur für Freunde bei mir.«
»Sind wir deine Feinde?«
»Ja.«
»Nein. Wir haben dir noch kein Leid gethan. Wir wollen nur das Pferd, welches du geraubt hast, seinem Eigner wieder bringen.«
»Der Eigner bin ich.«
»Du bist ein Hadschi mit dem heiligen Zem-Zem, und dennoch sagst du die Unwahrheit. Ich kenne diesen Hengst ganz genau; er gehört Mohammed Emin, dem Scheik der Haddedihn. Wie kommst du zu diesem Pferde?«
»Er hat es mir geschenkt.«
»Du lügst! Kein Araber verschenkt ein solches Pferd.«
»Ich sagte dir bereits, daß du Allah danken sollst dafür, daß ich gefesselt bin!«
»Warum hat er dir es geschenkt?«
»Das ist seine Sache und die meinige; Euch aber geht das nichts an!«
»Du bist ein sehr höflicher Hadschi! Du mußt dem Scheik der Haddedihn einen großen Dienst erwiesen haben, da er dir ein solches Geschenk giebt. Wir wollen dich nicht weiter darüber fragen. Wann hast du die Haddedihn verlassen?«
»Vorgestern früh.«
»Wo weiden ihre Herden?«
»Ich weiß es nicht. Die Herden des Arabers sind bald hier, bald dort.«
»Könntest du uns zu ihnen führen?«
»Nein.«
»Wo warst du seit vorgestern?«
»Überall.«
»Gut; du willst nicht antworten, so magst du sehen, was mit dir geschieht. Führet ihn fort!«
Ich wurde in ein kleines, niedriges Zelt geschafft und dort angebunden. Zu meiner Rechten und zu meiner Linken kauerte sich je ein Beduine nieder, welche dann später abwechselnd
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